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Die Maske des Meisters

Die Maske des Meisters

Titel: Die Maske des Meisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henke Sandra
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murmelte Claire. Sie blies in die Tasse, und braune Flüssigkeit schwappte über den Rand. Doch sie ignorierte dies einfach, denn ihr fiel etwas anderes ein, das Cynthia gesagt hatte.
    „Es wird höchste Eisenbahn, dass ich hier rauskomme. Haben. Sie. Das. Kapiert?“ Sie hatte ein überhebliches „Tutut“ angefügt, und Claire hätte am liebsten das Telefonat beendet, weil sie genug von Cynthias Unverschämtheiten hatte.
    Vielleicht hatte Cyn jedoch absichtlich übertrieben, hatte die Worte betont, um sie hervorzuheben, damit Claire ihre Botschaft zwischen den Zeilen verstand, nicht weil sie eine affektierte Zicke war, die ständig nölte.
    Ein Bahnhof war öffentlich und besaß sicherlich einen Keller, doch es gab keinen in der näheren Umgebung. Allerdings existierte ein altes Schrankenwärterhäuschen im Corn Forest. Es wurde nicht mehr benutzt und stand leer. Claire war lange nicht mehr dort gewesen. Seit ihre Eltern an dem Bahnübergang tödlich verunglückt waren. Das Häuschen fiel bestimmt fast in sich zusammen, aber es war garantiert noch dort.
    Niemand beachtete es, dachte Claire. Alle fuhren vorbei. Keiner ging hinein, weil das Häuschen zusammenbrechen könnte.
    „Einsam, abgeschieden.“ Sie trank einen Schluck. „Kein schlechtes Versteck.“
    Ob es einen Keller hatte, wusste sie nicht. Aber es lag genau zwischen Oakwood und Fairfield, den beiden Entführungsorten. Möglicherweise waren die Opfer näher, als alle dachten.
    Geräuschvoll stellte sie den Becher auf den Tisch. Sie rannte nach oben in ihr Zimmer, zog das Bigshirt aus, das sie nur zu Hause trug, wenn sie niemand sah, und schlüpfte in einen gelben Minirock und ein Ringelshirt. Ausnahmsweise zog sie die Sneaker ihren geliebten Flip-Flops vor, weil sie festes Schuhwerk brauchte, wenn sie das verfallene Haus durchsuchte.
    „Das ist viel zu gefährlich“, sprach sie laut vor sich hin. Doch sie musste es tun.
    Vali hatte ihr bisher nichts getan, und sie hoffte, dass sich das auch nicht ändern würde. Es war möglich, dass er nicht einmal dort war und sie die beiden Frauen heimlich befreien konnte. Falls Cynthia und Libby überhaupt dort waren. Es war ein dünner Strohhalm, aber es war die einzige Spur, die sie hatte.
    Sie holte ein Steakmesser aus der Küche, band Valis Seidenschal um ihre Taille und steckte das Messer zwischen Schal und Hüfte, sodass sie sich nicht an der Klinge schnitt. Dann machte sie sich auf den Weg.
    Um Zeit zu sparen, wählte sie die Abkürzung durch das Maisfeld. Sie ging querfeldein und fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt, als sie mit Todd im Feld Verstecken gespielt hatte. Damals war alles einfacher gewesen.
    Je näher sie den Bahnschienen kam, desto schwermütiger wurde sie. Sie hatte die Gleise gemieden, war nur ein einziges Mal nach der tragischen Nacht zurückgekehrt, um die Unfallstelle noch einmal zu sehen. Es hatte eine Unterschriftensammlung gegeben, um die Verantwortlichen dazu zu bringen, eine Bahnübergangssicherungsanlage zu installieren, doch sie hatten nur ein Schreiben in sachlicher Amtssprache geschickt, in dem stand, dass der Weg durch den Wald nur noch selten benutzt würde, seit die Umgebungsstraße gebaut worden war.
    Meine Eltern sind nicht nur verunglückt, weil sie vor Zuneigung und Lebensfreude den nahenden Zug übersehen hatten, dachte Claire missmutig, sondern sie sind auch Opfer der Sparpolitik geworden.
    Als sie in den Corn Forest eintauchte, berührte die Sonne bereits die Spitzen der Maispflanzen. Durch den Schatten der Bäume und die einsetzende Abenddämmerung war es zwar im Wald angenehmer, jedoch auch dunkler, und sie bereute es, keine Taschenlampe mitgenommen zu haben.
    Claire hatte nicht den Mut, zur Unfallstelle zu gehen, sondern spähte nur zu der Stelle hinüber, an der das Unglück passiert war. Der Zug hatte das Auto ihrer Eltern mitgeschleift, weil der Zugführer nicht sofort hatte bremsen können. Er hatte zwar keine Personen transportiert, aber einige der Rinder, die er geladen hatte, mussten sofort notgeschlachtet werden, weil sie sich durch das abrupte Bremsen die Beine gebrochen hatten. Noch mehr Tote.
    Doch die Katastrophe lag lange zurück und hatte kaum Spuren hinterlassen. Einige junge Bäume, die unmittelbar an der Bahnstrecke gestanden hatte, waren umgeknickt, aber dort, wo sie gestanden hatten, wuchsen längst neue Sprösslinge. Die Metallteile des Wagens waren von der Polizei aufgesammelt worden. Das aufgewühlte Erdreich war wieder mit Gras

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