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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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er einen Platz unter den Angreifern vorgesehen.
    Mit Genugtuung erzählte Fred Haller, wie Sven sich
nicht nur behauptete, sondern auch umsichtig kämpfend die eigene Gruppe dem
Ziel näher brachte; wem er sich auch zuwandte, der wich vor ihm zurück oder
fand sich auf Deck liegend! Aber dann gab Sven dem Spiel eine andere Wendung:
Als er den bärtigen Mann vor sich sah, stürzte er sich auf ihn, schob und
zerrte ihn zur Bordseite, wo sie miteinander rangen; ineinander verbissen,
achteten sie nicht darauf, wo sie sich befanden, jeder war nur noch bemüht,
den Kampf für sich zu entscheiden. Zwei Männer trennten sie, brachten sie
gewaltsam auseinander. Ich verstand, daß einige die Auseinandersetzung für
beendet hielten, doch plötzlich hörten sie einen Schrei und mußten zusehen, wie
Svens Gegner mit geöffneten Armen über Bord stürzte und aufs Wasser aufschlug.
    Anja stöhnte auf und schüttelte den Kopf, und nach
einer Pause sagte sie: „Gewiß ohne Absicht, Sven hat es gewiß ohne Absicht
getan.“
    „Unser Sven hat zugeschlagen“, sagte Haller darauf.
Zunächst war Sven nur erschrocken über die Wirkung seines Schlages, aber dann
warf er eine der Leinen hinab, rief seine Leute heran und sprang. Er landete
dicht neben dem Schwimmer, der sich verzweifelt über Wasser zu halten
versuchte, es gelang Sven, ein Ende der Leine zu fassen und den Schwimmer so zu
unterfangen, daß beide an die Schute herangezogen und schließlich an Bord
gebracht werden konnten.
    Der Schriftsteller unterbrach seine Lesung, ich hob
den Kopf und sah, daß er Anja erwartungsvoll anblickte, doch sie sagte kein
Wort und starrte nur auf das Schulheft. Haller mußte es als Aufforderung
verstehen, fortzufahren mit der Geschichte von Sven, und ich erfuhr etwas über
das Geständnis einer Nacht.
    Es war in einer Nacht, als Haller von Berührungen
erwachte, vor seinem Bett saß Sven, geduldig, obwohl er fror, er mußte etwas
sagen, jetzt. Und nachdem Haller ihn beruhigt hatte, sagte er, daß der Direktor
der Schule ihn habe rufen lassen und daß man ihm in Gegenwart seines
Klassenlehrers mitgeteilt habe, daß die Absicht bestehe, ihn für seine Tat
auszuzeichnen, mit der Rettungsmedaille, die in Hamburg hoch geschätzt werde
und die nur dem zuerkannt werde, der einen Menschen vor dem Tod des Ertrinkens
gerettet habe. Diese Mitteilung nahm Sven nur schweigend zur Kenntnis.
Angeblich aber wußte er schon in diesem Augenblick, daß er die Medaille nicht
annehmen dürfte, da er den Mann, für dessen Rettung man ihn auszeichnen wollte,
selbst über Bord gestoßen hatte. Zum Erstaunen des Schuldirektors lehnte Sven
die Medaille ab, er nannte nicht den Grund für seinen Verzicht, er erwähnte
nur, daß es ihm nicht möglich sei, die Medaille anzunehmen. Anja unterbrach
Haller, mit Entschiedenheit in der Stimme wies sie darauf hin, daß Sven ja aus
eigenem Entschluß gesprungen sei, um den im Wasser treibenden Mann zu retten,
und daß die Medaille nur eine gerechte Anerkennung sei. Statt direkt darauf zu
antworten, erwähnte Haller, daß Svens Entscheidung ihn sprachlos gemacht und
daß er ihm eine Hand auf die Schulter gelegt habe, zum Zeichen der Zustimmung
und Bewunderung. So zumindest wollte er alles auslegen. Aber wie kam Sven
dazu, fragte Anja, wer beeinflußte ihn zu dieser Entscheidung? „Vieles bleibt
uns verborgen“, sagte Haller, „es gibt Einflüsse, die wir nicht benennen,
nicht ergründen können, vielleicht hat Sven ja auch ohne fremden Einfluß
gehandelt, nur, weil er glaubte, es von sich aus tun zu müssen.
    Und Haller schlug das Heft auf und stellte Sven als
umsichtigen jungen Mann vor, der sich sein Taschengeld im Kiosk verdiente, wo
er Gläser spülte, Tische und Stühle säuberte und leere Flaschen zum
Abtransport sammelte.
    Manchmal betraute ihn der Besitzer des Kiosks auch
mit einer besonderen Aufgabe: Wenn einer seiner Gäste zuviel geladen hatte an
Bier und Aquavit, so daß seine Beine sich nicht einig werden konnten, welchen
Heimweg sie einschlagen sollten, gab er Sven einen Wink, und der erwies sich
als ein zuverlässiger Begleiter. Untergehakt führte er den Schwankenden nach
Hause, zu seiner Wohnung, zu seinem Schiff. Das tat er auch, als ihm dieser
Koschnik anvertraut wurde, ein magerer, ausgezehrt wirkender Mann, der,
während Sven ihn führte, immer wieder auflachte und zu einer Rede ansetzte,
stoßweise, unzusammenhängend. Offenbar wandte er sich an eine Gruppe von
Spezialisten, die Schiffsschrauben herstellte,

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