Die Maske
zu
finden. Er sagte ruhig: „Diese Mutmacher, mein Gott!“ Der Bürgermeister
schüttelte den Kopf.
Auf der Albatros hatten sie den Scheinwerfer eingeschaltet und
erstaunt beobachtet, wie Kapitän Klockner nach mehreren Versuchen das Ende
einer Leine erreichte, die Leine zu sich heranzog und um seine Hüfte brachte
und danach an der Reling befestigte - vermutlich, um nicht von einer Welle
über Bord gewaschen zu werden.
Die Britta trieb mit zunehmender Schlagseite; auf dem Kutter hatten
sie keinen Versuch mehr gemacht, anzulegen, dennoch waren sie in der Nähe
geblieben. Die Photographen ließen sich keine Veränderung entgehen, sie waren
kaltblütig genug, den Augenblick festzuhalten, in dem das Heck der Britta sich
aufrichtete. Sie dokumentierten auch die Aktion des Redakteurs Diering, dem es,
nachdem er sich hatte anleinen lassen, gelang, vom Kutter auf die Britta zu
kommen, Kapitän Klockner zu erreichen, ihn loszubinden und mit ihm zu springen.
Von Bord des Kutters aus sahen sie, wie die Britta sank,
wie sich die See über der Stelle des Untergangs schloß.
Der Vertreter der Reederei erhob sich lächelnd, es
war ein Lächeln der Genugtuung. Bevor er das Wort nahm, öffnete er einen kleinen
Kasten und holte das silberne Steuerrad heraus und stellte es auf das
Rednerpult; dann wandte er sich an Kapitän Klockner. Er sprach frei. Er sprach
über ein Beispiel von Mut und Ausdauer auf See und überreichte Kapitän
Klockner unter dem Beifall der Zuhörer das silberne Steuerrad.
Der Ausgezeichnete drehte und betastete das
Steuerrad, hob es an die Augen, hielt es ein wenig von sich und stand da, als
müßte er sich bedenken. Die Männer auf den Sitzen kamen nicht von ihm los, sie
saßen da wie angeleimt, warteten auf etwas, wovon sie nicht wußten, was es
sein könnte. Sie mußten zusehen, wie Kapitän Klockner überraschend an den
Redakteur Diering herantrat und ihm wortlos mit einer angedeuteten Verbeugung
das silberne Steuerrad überreichte, sich noch einmal verbeugte und dann zu
seinem Platz ging. Jetzt, dachte ich, jetzt muß die Stille ihr Ende finden. Es
rührte sich keine Hand.
Ein Entwurf
Sie brachten mich in ein Doppelzimmer im
Ufer-Hospital. Die grauhaarige Frau in der Aufnahme, die meine Personalien in
einen Fragebogen schrieb, machte mich darauf aufmerksam, daß ein Bett bereits
belegt war. Dann nannte sie den Namen meines Stationsarztes - Dr. Paulsen -
und die Namen der beiden Stationsschwestern, Frau Gantz und Frau Pückler, und
wünschte mir einen erfolgreichen Aufenthalt. Während man mich im Rollstuhl zu
meinem Zimmer schob, konnte ich durch ein Fenster auf die Kreuzung
hinabblicken, auf der der Laster meinen kleinen Fiat gerammt und gegen einen
Lichtmast geschleudert hatte. Die Kreuzung war bereits leer, nichts erinnerte
mehr an meinen Unfall. Bevor wir Zimmer 12 erreichten, sagte der Helfer: „Vielleicht
kennen Sie Ihren künftigen Nachbarn bereits, er ist Schriftsteller, ein
friedlicher Mann, sein Name ist Haller, Fred Haller.“ Ich hatte den Namen noch
nie gehört, und in diesem Augenblick war es mir gleichgültig, wie mein Nachbar
hieß und was er war. Meine Schmerzen dämpften die Neugierde. Bei meinem
Erscheinen richtete sich der Schriftsteller mit einem Schwung auf, setzte sich
auf die Bettkante und streckte mir seine Hand entgegen, eine fleischige, ruhige
Hand, die er mir so dauerhaft anbot, als wollte er das Willkommen verlängern
oder betonen. Nachdem er seinen Namen genannt hatte, sagte er: „Auf gute
Nachbarschaft“, und auf seinem Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln. Für
einen Moment hatte ich das Gefühl, einen Vertragsabschluß besiegelt zu haben.
Es interessierte ihn nicht, was ich aus der Reisetasche
herauszog und auf den Nachttisch legte, er blickte auf die belebte Elbe hinab,
als ich den Reisewecker aufstellte, ein Photo meiner Rudergemeinschaft mit dem
erfolgreichen Vierer mit Steuermann und die letzte Ausgabe des Spiegels und des Hamburger Abendblatts dazulegte. Auf seinem Nachttisch stand nur das Photo
einer schlanken, schwarzgekleideten Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen, die
auf etwas zu warten schien, nicht besorgt oder gar ängstlich, sondern gelassen.
Wir verzichteten beide darauf, den Grund unseres Aufenthalts zu erwähnen, er
sagte lediglich, daß wir bei diesem Stationsarzt in guter Obhut seien, Doktor
Paulsen gelte nicht nur als guter Arzt, sondern habe sich ihm auch als
bewandter Leser gezeigt, was er im übrigen bei etlichen Medizinern
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