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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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es einer Frau zu Anfang nicht leicht, sich Achtung zu verschaffen. Da gibt es grobe Scherze, obszöne Gesten, die Geringschätzung gegenüber allem, was sie sagt, die Weigerung, ihre Arbeit zu beachten. Das erscheint wie «Studentenulk», jeder lacht, einschließlich der anwesenden Frauen. Die haben keine andere Wahl.
     
    Cathy wird Polizeiinspektorin, nach einer externen Prüfung. Auch wenn Frauen nur ein Siebentel des Personals bei der Polizei stellen, hofft sie doch, Anerkennung zu finden, um dann in der Abteilung «Minderjährige» arbeiten zu können. Schon bei der ersten Meinungsverschiedenheit mit einem Kollegen beendet dieser die Diskussion mit den Worten: «Du bist nur ein Loch auf Stelzen!» Das bringt die anderen Kollegen zum Lachen, die Ähnliches beisteuern. Sie läßt sich nichts gefallen, ärgert sich und protestiert. Zur Vergeltung isoliert man sie und versucht, sie im Vergleich mit den anderen Inspektorinnen abzuwerten: «Das sind kompetente Frauen, die spielen nicht die Zierpuppen, die!» Findet ein Einsatz statt, setzen sich alle in Bewegung, aber ihr gibt man nicht einmal eine Erklärung. Sie stellt Fragen: «Wo, wann, wie, in welchem juristischen Rahmen?» Man antwortet ihr nicht: «Du verstehst sowieso nichts davon! Du bleibst hier und kochst Kaffee!»
    Es gelingt ihr nicht, einen Termin zu bekommen, um die Angelegenheit mit ihrem Vorgesetzten zu erörtern. Wie etwas zur Sprache bringen, was niemand hören will? Sie muß sich der Gruppe unterwerfen oder sich widersetzen. Da sie sich aufregt, heißt es, sie sei cholerisch. Dieses Etikett wird zu einem Klotz am Bein, den sie bei all ihren Versetzungen künftig mit sich schleppt.
    Eines Abends, nach dem Dienst, läßt sie wie gewöhnlich ihre Waffe in einer abgeschlossenen Schublade. Am anderen Morgen findet sie die Schublade offen. Man macht sie darauf aufmerksam, daß das eine Verfehlung sei. Cathy weiß, daß nur eine einzige Person ihre Schublade geöffnet haben kann. Sie verlangt, den Kommissar zu sprechen, um die Dinge klarzustellen. Der lädt sie mit dem verdächtigten Kollegen vor und spricht von einer Disziplinarstrafe. Bei dem Gespräch «vergißt» der Kommissar, über das Problem zu sprechen, um dessentwillen sie zusammengekommen sind, und äußert unbestimmte Kritik an ihrer Arbeit. In der Folge ist der Bericht «unauffindbar».
    Als sie einige Monate später ihren Teampartner und Freund auffindet, der sich eine Kugel in den Kopf geschossen hat, kommt niemand, um sie zu trösten. Man spottet über ihre Schwäche, als sie ein paar Tage Urlaub nimmt: «Wir sind hier in einer Welt von Kerlen!»
     
    Zahlreiche Betriebe erweisen sich als unfähig, die Achtung vor den Minimalrechten jedes Menschen durchzusetzen, und lassen es somit zu, daß sich in ihren Mauern Rassismus und Sexismus ausbreiten.
    Bisweilen wird das Quälen geweckt vom Neidgefühl gegenüber jemandem, der etwas besitzt, was die anderen nicht haben (Schönheit, Jugend, Reichtum, Kontaktfreudigkeit). Dies ist auch der Fall bei jenen jungen Überqualifizierten, die in ihrer Stellung einen Vorgesetzen haben, der nicht dasselbe Ausbildungsniveau besitzt.
     
    Cecile ist eine große und schöne Frau von fünfundvierzig Jahren, verheiratet mit einem Architekten und Mutter von drei Kindern. Berufliche Schwierigkeiten ihres Mannes haben sie genötigt, eine Stellung zu suchen, um die Kosten für die Wohnung zu bestreiten. Von ihrer bürgerlichen Erziehung sind ihr der «Chic», sich zu kleiden, gute Umgangsformen und eine gepflegte Ausdrucksweise geblieben. Weil sie keinerlei Diplom besitzt, muß sie nun eine sehr einfache Tätigkeit ausüben, Sortierarbeiten von geringem Anspruch. Seit ihrer Ankunft wird sie von ihren Kollegen kaltgestellt, die immer häufiger kleine unfreundliche Bemerkungen machen: «Mit Deinem Lohn kannst Du Dir doch solche Kleider nicht leisten?» Das Auftreten einer neuen Vorgesetzten, einer schroffen, mißgünstigen Frau, führt zur Beschleunigung dieses Prozesses. Man entzieht ihr nun auch noch die letzten Aufgaben, die von gewissem Interesse waren, und sie wird zum allgemeinen «Handlanger». Als sie versucht zu protestieren, weist man sie zurück: «Madame stellt Ansprüche, sie möchte nicht die niederen Arbeiten verrichten!» Cecile, die ohnehin nie Selbstvertrauen besaß, ist sich nicht ganz sicher, was da gespielt wird. Sie bemüht sich zunächst, ihren guten Willen zu zeigen, und übernimmt die undankbarsten Aufgaben. Dann gibt sie sich selbst die

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