Die Masken der Niedertracht
Schuld: «Es ist mein Fehler, ich habe mich wohl dumm angestellt!» Die seltenen Male, da sie in Zorn gerät, wird sie von ihrer Vorgesetzten abgekanzelt, sie sei nichts als eine Person mit einem cholerischen Charakter.
Nun schweigt Cecile und wird depressiv. Zu Hause versteht ihr Mann ihre Klagen nicht, da ihre Arbeit nur ein bescheidenes Zusatzeinkommen bedeutet. Ihr Arzt, dem sie ihre Abgespanntheit schildert, ihre Entmutigung, ihre Interesselosigkeit, schafft das Problem rasch aus der Welt, indem er ihr Prozac verschreibt. Später wundert er sich über die Wirkungslosigkeit seines Rezepts und verweist sie, weil er nicht weiter weiß, an einen Psychiater.
Die Aggressionen zwischen Kollegen können ihren Ursprung auch in persönlichen Abneigungen haben, die mit der Geschichte jedes der Protagonisten verknüpft sind, oder aber in Konkurrenzkämpfen, wenn einer versucht, sich auf Kosten des anderen ins rechte Licht zu rücken.
Seit mehreren Jahren hat Denise ein schlechtes Verhältnis zu einer Arbeitskollegin, die die Geliebte ihres Ex-Mannes war. Diese unangenehme Situation ist Ursache ihrer ersten Depression. Um dieser Begegnung zu entgehen, bittet sie um eine andere Stelle. Diese Bitte bleibt ohne Erfolg.
Drei Jahre später, nach einer Versetzung innerhalb des Betriebs, sieht sich Denise unmittelbar dem Befehl dieser Person unterstellt. Diese demütigt sie täglich, setzt ihre Arbeit herab und macht sich über ihre Versehen lustig. Sie zieht ihre Fähigkeit zu schreiben in Zweifel, zu rechnen, sich eines Computers zu bedienen. Denise wagt ihr gegenüber nicht, sich zu verteidigen, und reagiert, indem sie sich auf sich selbst zurückzieht, während sich ihre Fehler häufen. Das gefährdet am Ende ihre Stellung. Sie versucht, sich mit dem Vorgesetzten ihrer Chefin in Verbindung zu setzen, um ihre Versetzung zu erreichen. Man sagt ihr, das Nötige werde veranlaßt. Nichts ändert sich.
Deprimiert, verängstigt, wird sie krank geschrieben. Außerhalb des Arbeitsbereiches bessert sich ihr Zustand, aber sobald eine Wiederaufnahme der Arbeit ins Auge gefaßt wird, erleidet sie einen Rückfall. So pendelt sie schon seit zwei Jahren zwischen Krankgeschriebenwerden und Rückfall. Der Arbeitsmediziner, mit dem man Fühlung aufgenommen hat, tut alles, was in seinen Kräften steht, um die blockierte Situation zu entkrampfen, aber der Vorstand will davon nichts wissen. Wegen ihrer Klagen und ihrer häufigen Abwesenheit durch Krankheit betrachtet man sie als «psychologisch gestört». Es gibt keine Lösung für sie. Denises Krankenurlaub könnte so weitergehen, bis zur Erwerbsunfähigkeit, aber nach Begutachtung beurteilt der Vertrauensarzt der staatlichen Krankenversicherung sie als «arbeitsfähig».
Um nicht in das Büro zurückkehren, wo es ihr so schlecht geht, zieht Denise in Betracht, ihre Entlassung einzureichen. Aber was tun mit fünfundvierzig Jahren und ohne Qualifikation? Mittlerweile spricht sie von Selbstmord.
Konflikte zwischen Kollegen sind schwer zu beherrschen für die Unternehmen. Darin sind sie ungeschickt. Es kommt vor, daß Rückendeckung durch einen Vorgesetzten dazu führt, den Vorgang noch zu verstärken: Schnell spricht man da von Günstlingswirtschaft oder von sexuellen Gunstbezeugungen!
Meist wird der Prozeß verstärkt durch die Unfähigkeit der «kleinen Chefs». Denn die meisten verantwortlichen Vorgesetzten sind keine Manager. In einer Belegschaft bestimmt man als Verantwortlichen den, der der Fachkundigste auf beruflichem Gebiet ist, und nicht den, der am besten zu führen versteht. Selbst wenn sie sonst sehr fähig sind, wissen viele Verantwortliche nicht, was es heißt, eine Belegschaft zusammenzuschweißen, und sie sind sich der menschlichen Probleme nicht bewußt, die ihre Verantwortlichkeit impliziert. Wenn es ihnen aber bewußt wird, haben sie Angst davor, weil sie nicht wissen, wie sie vermitteln sollen. Diese Unfähigkeit ist ein zusätzlicher Faktor bei der Entfaltung des Quälens; denn wenn die Quälenden Kollegen sind, müßte der erste Rettungsanker der verantwortliche Vorgesetzte sein oder die nächsthöhere Instanz. Wenn kein Klima des Vertrauens herrscht, ist es unmöglich, seinen Vorgesetzten um Hilfe zu bitten. Jeder versucht, sich hinter den anderen zu verschanzen, entweder aus Unfähigkeit oder aus Gleichgültigkeit oder Feigheit.
Ein Vorgesetzter wird von Untergebenen angegriffen
Das ist ein sehr viel seltenerer Fall. Es kann sich um jemanden
Weitere Kostenlose Bücher