Die Masken der Niedertracht
bietet). Daher seine Liebe und sein Haß gegenüber einer mütterlichen Persönlichkeit, dem deutlichsten Bildnis von innerem Leben. Der Narziß braucht das Fleisch und die Substanz des anderen, um sich aufzufüllen. Aber er ist unfähig, sich von dieser fleischlichen Substanz zu ernähren, weil er nicht einmal über einen Anfang von Substanz verfügt, der ihm erlaubte, die Substanz des anderen aufzunehmen, einzufangen und zur eigenen zu machen. Diese Substanz wird zu seinem gefährlichen Feind, weil sie ihn sich selbst als leer enthüllt.
Die narzißtischen Perversen empfinden die heftigste Mißgunst gegenüber jenen, die Dinge zu besitzen scheinen, die sie nicht haben. Die Aneignung kann gesellschaftlich sein, zum Beispiel einen Partner zu betören, der in ein soziales Milieu einführt, das man beneidet: Großbürgertum, Intellektuellen- oder Künstlerkreise ... Einen Partner zu besitzen, der Zugang zur Macht eröffnet, ist von großem Vorteil.
Ist das geschafft, greifen sie die Selbstachtung, das Selbstvertrauen des anderen an, um sich aufzuwerten. Sie eignen sich den Narzißmus des anderen an.
Aus Gründen, die mit ihrer Geschichte in den ersten Lebensjahren zusammenhängt, konnten die Perversen sich nicht selbst entfalten. Mit Neid nehmen sie wahr, daß andere Individuen über das verfügen, was man braucht, um sich zu verwirklichen. Da sie immer «neben sich stehen», versuchen sie, das Glück «nebenan» zu zerstören. Gefangene der Starrheit ihrer Abwehr, versuchen sie, die Freiheit zu zerstören. Da sie sich nicht vollkommen wohl fühlen in ihrer Haut, sollen die anderen, selbst die eigenen Kinder, sich auch nicht wohl fühlen! Unfähig zu lieben, versuchen sie jede ungezwungene, natürliche Beziehung zu zerstören – aus Zynismus.
Um sich selbst zu akzeptieren, müssen die narzißtisch Perversen siegen und einen anderen zerstören. Dabei können sie sich überlegen fühlen. Sie freuen sich am Leid des anderen. Um sich zu bestätigen, brauchen sie die Niederlage des anderen.
Auffällig bei ihnen ist ihr Bedürfnis, alle und jeden zu kritisieren. Auf diese Weise behalten sie die «Allmacht»: «Wenn die anderen Nullen sind, bin ich automatisch besser!»
Die Triebkraft der Perversion ist der Neid. Der Neid ist eine Empfindung von Begehrlichkeit, von Gehässigkeit beim Anblick des Glücks und der Vorteile anderer. Es handelt sich um eine auf Anhieb aggressive innere Haltung, die sich gründet auf die Wahrnehmung dessen, was der andere besitzt und das man selbst nicht hat. Diese Wahrnehmung ist subjektiv, sie kann sogar wahnhaft sein.
Der Neid besteht aus zwei Polen: der Egozentrik auf der einen Seite und dem Übelwollen mit dem Verlangen, die beneidete Person zu schädigen, auf der anderen. Das setzt ein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der Person voraus, die das besitzt, was man begehrt. Der Neider bedauert zwar, daß der andere im Besitz materieller oder geistiger Güter ist, doch ihm ist es wichtiger, sie zu zerstören, als sie ebenfalls zu erwerben. Besäße er sie, wüßte er nichts mit ihnen anzufangen. Dazu fehlen ihm die Mittel. Um den Graben aufzufüllen, der den Neider vom Objekt seiner Begehrlichkeit trennt, genügt es, den anderen zu demütigen, ihn zu entwerten. Der andere nimmt so die Züge eines Dämons oder einer Hexe an.
Was die Perversen bei anderen am meisten beneiden, ist das Leben. Sie beneiden deren Erfolg, der sie mit ihrem eigenen Gefühl des Mißerfolgs konfrontiert; denn sie haben von dem anderen keine höhere Meinung als von sich selbst; nie klappt etwas, alles ist kompliziert, alles eine Plage. Sie zwingen den anderen ihre verächtliche Weltsicht auf und ihre chronische Unzufriedenheit mit dem Leben. Sie zerschlagen jeden Enthusiasmus in ihrer Umgebung, suchen vor allem zu beweisen, daß die Welt schlecht ist, daß die anderen schlecht sind, daß der Partner schlecht ist. Mit ihrem Pessimismus machen sie den anderen schließlich wirklich depressiv, was sie ihm anschließend vorwerfen.
Die Sehnsucht des anderen und seine Vitalität zeigen ihnen ihre eigenen Mängel. Man findet da – wie bei vielen Menschen – den Neid auf die privilegierte Beziehung wie zwischen Mutter und Kind. Aus diesem Grund wählen sie ihre Opfer zumeist unter Personen voller Energie, die Freude am Leben haben, als suchten sie ein wenig von deren Kraft für sich abzuzweigen. Die Unterjochung, die Unterwerfung ihres Opfers unter ihre Wunschvorstellungen, die Abhängigkeit, die sie schaffen, liefern
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