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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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voraus. Sie haben keine Geschichte, da sie ja abwesend sind. Nur körperlich anwesende Wesen können eine Geschichte haben. Würden sich die narzißtischen Perversen ihrer Leiden bewußt, begänne etwas für sie. Aber das wäre etwas anderes: das Ende ihrer bisherigen Lebensweise.
     
     
    Der Größenwahn
     
    Die narzißtischen Perversen sind größenwahnsinnige Individuen, die sich als maßgeblich aufspielen; als Eichmaß des Guten und Bösen, der Wahrheit. Oft schreibt man ihnen eine moralpredigerhafte, überlegene, reservierte Art zu. Selbst wenn sie nichts sagen, fühlt sich der andere «ertappt». Sie kehren ihre untadeligen moralischen Werte hervor, die anderen Sand in die Augen streuen und ein gutes Bild von ihnen vermitteln. Sie prangern die menschliche Böswilligkeit an.
    Ihnen fehlt jedes Interesse an den anderen und jede Empathie, aber sie wollen, daß die anderen sich für sie interessieren. Alles steht ihnen zu. Sie tadeln jedermann, lassen aber keinerlei Beschuldigung und keinerlei Vorwurf gegen sich gelten. Angesichts dieser «Welt der Macht» befindet sich das Opfer notwendigerweise in einer «Welt der Schwäche». Die Schwachstellen anderer aufzuzeigen ist eine Methode, seine eigenen nicht zu sehen, sich zu verteidigen gegen eine Angst, die psychotisch genannt werden muß.
    Die Perversen treten mit anderen in Verbindung, um sie zu verführen. Man beschreibt sie häufig als bezaubernde und glänzende Persönlichkeiten. Hat man den Fisch einmal an der Angel, muß man ihn nur am Haken zappeln lassen, solange man ihn braucht. Der andere existiert nicht, er wird nicht gesehen, nicht gehört, er ist nur «nützlich». In der perversen Logik gibt es den Begriff «Achtung vor anderen» nicht.
    Die perverse Verführung ist mit keinerlei Gefühl verbunden, weil es gerade die Grundlage der perversen Wirkungsweise ist, jede Gemütsregung zu meiden. Der Zweck ist, keine Überraschungen zu erleben. Die Perversen interessieren sich nicht für die verwickelten Gemütsbewegungen des anderen. Sie sind unempfindlich für den anderen und dessen Andersartigkeit, es sei denn, sie hätten das Gefühl, diese Andersartigkeit könne sie stören. Das ist das völlige Bestreiten der Identität des anderen, dessen Haltung und Denken mit dem Bild übereinstimmen muß, das sie, die Perversen, sich von der Welt machen.
    Die Stärke der Perversen ist ihre Gefühllosigkeit. Sie kennen keinerlei Skrupel moralischer Art. Sie leiden nicht. Sie greifen völlig ungestraft an: Denn selbst wenn im Gegenzug die Partner perverse Verteidigungsmaßnahmen gebrauchten, so wurden diese Partner doch so ausgewählt, daß sie niemals den Grad an Virtuosität erreichen, der sie schützen würde.
    Die Perversen können sich begeistern für einen Menschen, eine Tätigkeit oder eine Idee, aber diese Strohfeuer bleiben sehr oberflächlich. Sie kennen keine echten Gefühle, vor allem nicht Gefühle der Betrübnis oder Trauer. Enttäuschungen haben bei ihnen Zorn oder Groll zur Folge, verbunden mit Rachegelüsten. Dies erklärt die zerstörerische Wut, die sich ihrer bemächtigt anläßlich von Trennungen. Wenn ein Perverser eine narzißtische Verletzung wahrnimmt (Niederlage, Ablehnung), empfindet er ein grenzenloses Verlangen, sich zu rächen. Dabei handelt es sich nicht, wie bei einem jähzornigen Menschen, um eine vorübergehende Verwirrung, sondern um unerbittliche Rachsucht, auf die der Perverse all seine intellektuellen Fähigkeiten verwendet.
    Die Perversen halten – wie die Paranoiker – einen hinreichenden Gefühlsabstand, um sich nicht wirklich zu binden. Die Wirksamkeit ihrer Angriffe beruht auf der Tatsache, daß die Opfer oder der außenstehende Beobachter sich nicht vorstellen können, daß man vor dem Leiden des anderen so gefühllos, so mitleidslos sein kann.
     
     
    Die Vampirwerdung
     
    Der Partner existiert nicht als Person, sondern als Träger einer Eigenschaft, die der Perverse sich anzueignen sucht. Die Perversen ernähren sich von der Energie derer, die sich ihrem Zauber fügen. Sie versuchen, sich den «beschenkenden Narzißmus» des anderen anzueignen, indem sie in sein psychisches Territorium einfallen.
    Der narzißtische Perverse muß mit allen Mitteln seine Leere auffüllen. Um diese Leere nicht sehen zu müssen (was seine Heilung wäre), projiziert er sich in sein «Gegenteil». Er wird pervers im ursprünglichen Sinn des Begriffs. Er wendet sich ab von seiner Leere (während der Nicht-Perverse dieser Leere die Stirn

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