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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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wurden. Der Tod des Sündenbocks hatte den Abfluß der Gewalt und die Weihe des Opfers zur Folge. Heutzutage werden die Opfer nicht mehr geweiht, sondern, da sie nicht mehr als unschuldig gelten, für schwach gehalten. Man hört häufig die Ansicht, einer sei zum Opfer geworden, weil er dazu auf Grund seiner Schwäche oder seiner Fehler eben geeignet gewesen sei. Wir werden hingegen sehen, daß die Opfer gewöhnlich ausgewählt werden, weil sie ein «mehr» besitzen, das der Aggressor sich anzueignen sucht.
     
     
    Weshalb wurde es ausgewählt?
     
    Weil es da war und weil es irgendwie unbequem wurde. Es hat nichts Eigentümliches für den Aggressor. Es ist ein austauschbares Objekt, das im falschen/richtigen Augenblick da war und den Fehler begangen hat, sich verführen zu lassen – und manchmal den, einen zu hellen Kopf zu haben.
    Es ist für den Perversen nur von Interesse, wenn es brauchbar ist und sich die Verführung gefallen läßt. Es wird Haßobjekt, sobald es sich entzieht oder nichts mehr zu geben hat.
    Da es nur ein Objekt ist, bedeutet es wenig, wer es ist. Doch der Aggressor scheut vor jedem zurück, der ihn in Gefahr bringen könnte. So vermeidet er es sorgfältig, sich anderen narzißtisch Perversen oder Paranoikern entgegenzustellen, weil sie ihm zu ähnlich sind. Wenn Perverse und Paranoiker sich zusammentun, so steigert das ganz beträchtlich die zerstörerische Wirkung auf das ausgewählte Opfer. Das beobachtet man vor allem in Gruppen und Betrieben. Es ist unterhaltsamer, jemanden zu verachten oder zu verspotten vor einem aufmunternden Zuschauer! Es geschieht nicht selten, daß die Perversen stillschweigende Zustimmung ernten von Zeugen, die sie zuerst destabilisiert, dann mehr oder weniger überzeugt haben – ohne sie deshalb schon zu Mittätern zu machen.
    Die Eigentümlichkeit eines perversen Angriffs ist es, auf die verwundbaren Stellen des anderen zu zielen, dorthin, wo eine Schwäche oder Pathologie vorhanden ist. Jeder einzelne besitzt einen Schwachpunkt, der für die Perversen zu dem Punkt wird, an dem sie einhaken. Wie ein Alpinist sich an die Spalten in der Wand klammert, um sich vorzuarbeiten, bedienen sich die Perversen der inneren Risse der anderen. Sie erahnen sehr genau seine Schwachpunkte, jene Stellen, an denen es ihn schmerzen, an denen er verwundbar sein könnte. Es ist möglich, daß diese Spalte genau das ist, was der andere an sich selbst lieber nicht wahrnehmen möchte. Der perverse Angriff ist dann eine schmerzliche Offenbarung. Es kann ein Symptom sein, das der andere zu banalisieren, zu bagatellisieren sucht und das die perverse Aggression nun reaktivieren wird.
    Die perverse Gewalt konfrontiert das Opfer mit seinem Schwachpunkt, mit den vergessenen Traumata seiner Kindheit. Sie weckt den Todestrieb, der als Keim in jedem von uns schlummert. Die Perversen suchen beim anderen den Keim der Selbstzerstörung, den es dann durch destabilisierenden Austausch zu beleben genügt. Die Beziehung mit narzißtischen Perversen wirkt wie ein negativer Spiegel. Das gute Bild, das man von sich hatte, wird umgestaltet: Man kann es nicht mehr lieben.
    Es hat keinen Sinn zu sagen, das Opfer sei Komplize seines Aggressors, da das Opfer vor diesem beherrschendem Einfluß die psychischen Möglichkeiten, sich anders zu verhalten, nicht besaß: Es war gelähmt. Die Tatsache, daß es passiv an dem Vorgang teilgenommen hat, nimmt seiner Stellung als Opfer nichts: «Wenn ich mit einem Mann gelebt habe, der mich nicht liebte, so bin ich daran schuld; wenn ich nichts gesehen habe, als ich betrogen wurde, so hängt das mit meiner Geschichte zusammen. Aber die Art und Weise, wie sich die Trennung abgespielt hat, ist etwas, was ich nicht vorhersehen und an das ich mich nicht anpassen konnte. Selbst wenn ich jetzt begreife, daß dieses Verhalten nicht für mich persönlich gedacht war, meine ich, daß es sich um eine schreckliche seelische Aggression handelt, einen psychischen Mordversuch.»
    Das Opfer ist nicht aus sich selbst masochistisch oder depressiv. Die Perversen machen sich den depressiven oder masochistischen Anteil zunutze, der in ihm steckt.
    Wie soll man das masochistische «Entgegenkommen» trennen von dem depressiven Zustand, in den das Opfer des Perversen gerät?
     
     
    Ist es Masochismus?
     
    Was auf den ersten Blick erstaunt, ist die Hinnahme des Schicksals seitens der Opfer.
    Wir haben gesehen, daß die Äußerung des narzißtischen Perversen ein totalitärer Diskurs ist, der

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