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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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darin gelegen haben, daß er dafür gesorgt hatte, daß man dieses Opfer fand. Doch nur die Mächtigen würden jemanden auf eine solche Weise strafen, jene, die ihre Macht von Gott oder dem König herleiten.«
       »Wir Diener der Krone würden sagen, daß es auf ein und dasselbe hinausläuft. Nicht wahr, Thomas?«
       »Ja, Euer Ehren.«
       Ein leichtes Lächeln hatte seine Worte begleitet, doch wieder gewahrte ich den Ausdruck von Traurigkeit auf seinem Gesicht; mir schien, daß dieser Ausdruck sich nicht immer schon in seiner Miene gezeigt, sondern sich erst im Laufe der Jahre des Wohllebens und der Amtswürde entwickelt hatten. »Demnach«, sagte er, »trug der Mönch den Leichnam des Thomas Wells fort, nachdem jemand anders den Knaben getötet hatte, und legte ihn an die Straße. Dann brachte der Mörder des Knaben – oder eine andere Person – den Mönch um. Habt Ihr und die anderen Euch denn nicht gefragt, warum er gerade diese Zeit wählte, den Leichnam des Knaben zurückzubringen? Warum hat er so lange gewartet? Es war eine gefährliche Tageszeit, nicht wahr? Die Morgendämmerung muß sich bereits angekündigt haben. Dieser Flint hat den Knaben dann ja auch nur wenig später gefunden.«
       »Vielleicht war Thomas Wells erst kurz zuvor getötet worden.«
       Er schüttelte den Kopf. »Man hatte sich des Knaben bereits am vorherigen Nachmittag bemächtigt, als es dunkel wurde. Der, zu dem man ihn brachte, wird bereits gewartet haben, zweifellos voller Ungeduld. Daß Thomas Wells erst aufgrund späterer Überlegungen erwürgt wurde, ist unwahrscheinlich. Die Morgendämmerung ist die übliche Zeit, sich selbst zu töten, nicht andere Menschen. Es sei denn, es geschieht auf königliches Geheiß. Stimmt’s, Thomas? Schenk ihm noch Wein ein, aber nur ein halbes Glas – er wird seinen klaren Verstand noch brauchen.«
       »Dann war da diese Eile, mit der alles geschah«, sagte ich. »Außerdem bezahlte der Verwalter den Priester und kümmerte sich darum, daß der Knabe begraben wurde. Es hatte allmählich den Anschein, als ob …«
       In plötzlicher Angst verstummte ich und betrachtete das fleischige Gesicht mit den wißbegierigen Augen. Der Wein löste meine Zunge, doch eine solche Offenheit barg Gefahr. War ich aus der einen Falle entkommen, nur um jetzt in eine andere zu tappen? »Wir hatten nichts Böses im Sinn. Es ging uns nur darum, ein Theaterstück zu machen«, sagte ich. »Wir wurden Schritt um Schritt dorthin geführt.«
       »Ihr habt nichts zu fürchten«, sagte er. »Mein Wort darauf.
       Ich werde nichts weiter von Euch verlangen als diesen Bericht.« Ich konnte nur hoffen, daß er es ehrlich meinte. Ich hatte mich viel zu weit vorgewagt, als daß ich jetzt einen Rückzieher machen oder in Schweigen hätte verfallen können. »Dann überkam Martin die Liebe zu dem Mädchen«, sagte ich. »Es war wider alle Vernunft. Er hat sie nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen.«
       Ich berichtete ihm von unserer Festnahme und wie wir für eine Nacht und einen Tag eingesperrt gewesen waren, bevor man uns zum Baron geführt hatte, damit wir das Stück für ihn aufführten, und zwar in einem privaten Gemach, mit dem Baron und seinem Verwalter als einzigen Zuschauern. Und schließlich erzählte ich, wie Martin uns verraten hatte.
       »Ihr dürftet die ersten Schauspieler gewesen sein, die den Fuß in Baron Richards Privatgemächer gesetzt haben«, sagte der Richter. »Es heißt, daß er Musik mag, aber keine Schauspiele oder Darbietungen sonstiger Art. Er ist ein Mann mit strengem Lebenswandel.« Der Richter sagte dies beinahe mitleidig, so, als wäre er irgendeiner geistigen Verirrung wegen bekümmert.
       »Nun ja«, sagte ich, »das Gemach wirkte in der Tat sehr schlicht; nur ein Stuhl stand darin. Nirgends gab es irgend etwas, das der Rede wert gewesen wäre – nur den Geruch der Pest haben wir wahrgenommen; er ist uns auf dem Weg zum Gemach begegnet.«
       Die letzte Bemerkung hatte ich als bloßen Nachgedanken hinzugefügt, doch der Richter hob den Kopf und blickte mir scharf ins Gesicht. »Pest? Seid Ihr sicher?«
       »Ja, ich bin mir sicher. Hat man diesen Geruch einmal vernommen, erkennt man ihn stets wieder. Er drang aus einer Kammer, an der wir auf dem Weg zum Gemach vorüberkamen.«
       »Vielleicht war in dieser Kammer jemand, der bereits vor seinem höchsten Richter stand?«
       »Das glaube ich nicht.« Ich versuchte mich genau zu erinnern; nicht, weil ich

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