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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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gemütliche Wohnzimmer eingerichteten Salons, aber keine Spur von hitzig diskutierenden Venezianern, die aufrührerische Pamphlete entwarfen und nach jedem Schluck aus der Kaffeetasse in donnernde Hochrufe auf Garibaldi ausbrachen – so hatte Franz Joseph ihr das Florian immer geschildert. Die einzige aufrührerische Handlung, die sie registrierte, wurde von einem gebrechlich aussehenden Cavaliere begangen, der zu einem Stück Schokoladentorte in der Stampa di Torino blätterte, was zweifellos verboten war.
    Aber Elisabeth glaubte nicht, dass die venezianische Polizei in einem solchen Fall einschritt. Im Übrigen war das Florian bemerkenswert leer. Wahrscheinlich machten sich die üblichen Gäste deshalb rar, weil jeder am Eingang genau kontrolliert wurde. 
    Sie hatten sich, nach nervösem Herumgegucke Königseggs, im maurischen Zimmer niedergelassen, das sie sich mit einem (russischen?) Ehepaar teilten, welches sich über zwei Kännchen Kaffee (hier wurden nur Kännchen serviert) und zwei Windbeuteln hinweg anschwieg. Als der Kellner kam, hatte sie darauf bestanden, einen Eisbecher Italia zu bestellen – ein harmloser Name für eine österreichfeindliche Kreation aus rotem Kirsch-, weißem Zitronen- und grü nem Pistazieneis, die im venezianischen Volksmund Coppa Garibaldi hieß. Unter diesen Umständen kam der Kellner bestimmt nicht darauf, dass er soeben die Kaiserin von Österreich bedient hatte. Königsegg, der ihre Wahl selbstverständlich missbilligte und noch immer eine Miene machte, als würde der Schinderkarren seiner harren, hatte sich demonstrativ einen Kaiserschmarrn mit Apfelkompott (jawohl, auch das gab es hier) bestellt.
    Kurz nach zehn trat der Commissario an ihren Tisch.
    Elisabeth drehte ihren Kopf und beobachtete amüsiert, wie sein Unterkiefer herabklappte und ziemlich lange in dieser Position verharrte, als er sie erkannte.

    «Die Gräfin », sagte Königsegg, indem er die beiden Silben des Wortes getrennt aussprach und Tron einen beschwö renden Blick zuwarf, «hatte den Wunsch geäußert, das Schriftstück persönlich zu übergeben.»
    Es dauerte eine halbe Minute – oder auch länger –, bis es Tron gelungen war, seinen Unterkiefer wieder in eine zivilisierte Position zu befördern. Dann beugte er sich über die lächelnd emporgestreckte Hand, deutete einen Handkuss an und richtete seinen Blick auf die Gräfin – einen Blick, den sie mit großer Unbefangenheit, fast mit einer gewissen Intimität, wie es Tron schien, erwiderte. Er sah die hohe Stirn, die leicht über die Unterlippe ragende Oberlippe, die ironisch geschwungenen Mundwinkel, die Spur von Grübchen zu beiden Seiten der Mundes und die großen dunkelbraunen Augen – kein Zweifel, es handelte sich um die Kaiserin, die jetzt leibhaftig vor ihm saß und offenbar im Begriff war, eine Coppa Garibaldi zu verspeisen.
    Tron räusperte sich. «Gräfin Hohenembs, wenn ich  mich richtig erinnere.»

    Die Kaiserin lächelte ein wenig sentimental. Dann sagte sie in ihrem weichen, bayerisch gefärbten Deutsch: «Sie erinnern sich richtig, Conte.»
    «Ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen.» Allmählich hatte Tron die Fassung wiedergewonnen.
    «Und ich hatte nicht erwartet», sagte die Kaiserin immer noch lächelnd, «Sie vor dem morgigen Ball zu sehen.» Dann beugte sie sich mit ernster Miene über den Tisch. «Was genau haben Sie vor, Commissario?»
    «Mich um vier auf den Dachboden zu begeben und den  Mann zu verhaften.»
    Tron hatte neben Königsegg Platz genommen, der mit  gequälter Miene in seinem Kaiserschmarrn stocherte. Unter dem Tisch waren Schlabbergeräusche zu hören – Spartacus leckte gerade den Teller ab.
    Die Kaiserin runzelte die Stirn. «Einfach so?»
    «Ich werde bewaffnet sein, Gräfin», sagte Tron. «Und wenn es zum Nahkampf kommt» setzte er hinzu, «dürfte dem Mann sein Scharfschützengewehr nicht viel nützen.»
    Er freute sich, dass ihm das Wort Nahkampf eingefallen war.
    Das Wort verfehlte seine Wirkung auf die Kaiserin  nicht. Sie machte ein erschrockenes Gesicht. «Rechnen Sie damit, dass es zu einem solchen Kampf kommt?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich rechne damit, dass sich der Mann sofort ergibt.»
    «Warum sind Sie sich da so sicher?» Die Kaiserin führte einen Löffel Pistazieneis zum Mund und trank anschließend einen Schluck Kaffee. Tron fiel auf, dass sie immer von einer Eissorte zur anderen wechselte, sodass die subversive Farbkombination der Coppa Garibaldi erhalten blieb.
    «Wir

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