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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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beäugten – so als könne er eine Bombe unter seinem Zylinder versteckt haben –, setzte sich Tron vorsichtshalber wieder in Gang.
    Keine Frage, überlegte er weiter, dass Königsegg ein ganz persönliches Interesse daran haben musste, einen Anschlag auf den Kaiser zu verhindern. Keine Frage auch, dass er wusste, wie sehr er ihm, Tron, verpflichtet war und dass er nicht die Absicht hatte, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Aber würde die Kaiserin sich auf dieses riskante Unternehmen einlassen? Würde sie ihm zutrauen, einen Mann – einen professionellen Killer – zu verhaften, von dem sich bereits gezeigt hatte, wie gefährlich er war? Andererseits: Was war die Alternative, wenn es sich verbot, mit dem Kaiser selbst zu sprechen? Gab es überhaupt eine Alternative?
    Im Gegensatz zum Quadri war das Florian heute nur  schwach besucht, was vermutlich daran lag, dass es von einem cordon sanitaire kroatischer Jäger umgeben war, die von jedem Gast – auch von Tron – die Papiere verlangten. Offiziere, ohnehin nur selten im Florian vertreten, sah Tron keine, auch schienen die Venezianer heute in der Minderzahl zu sein. Es dominierten die Fremden, Engländer in kariertem Tweed, zierliche Franzosen und vollbärtige Russen.
    Königsegg, wie erwartet in Zivil, hatte im maurischen Zimmer unter dem Bildnis einer schönen Orientalin Platz genommen. Ihm gegenüber und dem Raum den Rücken zukehrend, saß zu Trons Überraschung eine schlanke,  schwarzgekleidete Dame, deren üppiges Haar unter einem Florentiner Reisehut verborgen war. Tron sah, dass sie einen Schleier trug. Ein wenig irritiert von der Anwesenheit einer dritten Person, trat er näher und verbeugte sich höflich. Dann drehte die Dame langsam ihren Kopf, und als Tron das Gesicht hinter dem Schleier erkannte, wäre er vor lauter Überraschung fast auf Spartacus getreten, der neben dem Tisch eine Kirschtorte verspeiste.

    Merkwürdig, hatte Elisabeth vorhin gedacht, als Königsegg ihr seine Geschichte vorgetragen hatte – merkwürdig, wie ruhig sie geblieben war, nachdem sich die erste Überraschung gelegt hatte. So als wären in dieser Stadt finstere Mordkomplotte an der Tagesordnung und niemand dürfte einen Grund haben, die Fassung zu verlieren. Und hatte man nicht zugleich immer den Eindruck, als würde hier, wo jeder Campo und jedes Café wie eine Opernkulisse wirkte, nur ein weiteres Theaterstück aufgeführt? Und sich die Akteure, nachdem der Vorhang gefallen war, verbeugen und die Masken abnehmen?
    Elisabeth hatte dennoch kurz erwogen, den Kaiser über dieses Komplott zu informieren. Nur, was würde dann geschehen? Königsegg hatte recht. Franz Joseph würde Crenneville zur Rede stellen und dieser ihm ein Märchen auftischen. Der Feldzeugmeister würde die Operation sofort abbrechen, aber nur, um sie zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort zu wiederholen. Es war also unumgänglich, ihm die Maske des Biedermanns vom Gesicht zu rei ßen – und zwar hier und jetzt.
    Nachdem die kurzen Zeilen an den Commissario dik tiert worden waren, hatte sich Elisabeth ohne die Hilfe ihrer Zofe umgezogen: ein schlichtes Kleid, der Reisehut mit dem Schleier, die geknöpften Stiefeletten und der unauffällige Umhang, den sie letztes Jahr in München gekauft hatte.
    Eine halbe Stunde später hatten sie, zusammen mit Spartacus (eine gute Tarnung), den Palazzo Reale durch den Eingang in der Ala Napoleonica verlassen und den Markusplatz betreten. Wieder hatte sie festgestellt, wie ungleich intensiver alles auf sie wirkte, wenn sie es nicht aus ihrer Entourage heraus betrachtete. Und wenn niemand sie mit neugierigen Blicken belästigte. Ob es Franz Joseph auch so ging, dass ihn das ständige Beglotztwerden am Sehen hinderte?
    Jedenfalls stand ihr jetzt alles wunderbar scharf vor Augen: die von Gaslaternen wie von leuchtenden Girlanden eingefasste Piazza, das Gewoge der Menschenmenge, der leichte Nebelschleier, der sich über den Markusplatz gebreitet hatte und durch den die Tauben wie Gespenster flatterten. Ein feuchter Salzgeruch, dem ein fauliger Unterton wie die Herznote eines Parfums beigemischt war, lag über dem Platz, und darüber schwebte, als Kopfnote, der Duft gerö steter Maronen, die überall an Ständen verkauft wurden.
    Das Florian allerdings war – wie so vieles, von dem man sich übertriebene Vorstellungen gemacht hatte und es dann klopfenden Herzens tatsächlich kennenlernte – eine Enttäuschung. Hübsch, die hintereinanderliegenden, fast wie

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