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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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drei Sperrkreise», fuhr sie nach kurzem Nachdenken fort, «und höchstens zwei Dutzend Personen, die Zugang zum Sperrkreis eins haben.
    Die venezianische Polizei gelangt noch nicht einmal in die Nähe des Kaisers. Ich sehe nicht, was der Commissario ausrichten könnte.»
    «Er muss nicht in die Nähe des Kaisers.»
    «Wie?»
    «Er muss nur in die Nähe des Attentäters», sagte Königsegg.

    «Aber der Attentäter ist zum Zeitpunkt des Anschlags auf dem Dachboden des Palazzo Reale.»
    Königsegg nickte. «Deshalb braucht der Commissario  einen Passierschein und eine Uniform.»
    Die Kaiserin erbleichte. «Sie meinen …»
    «Tron will den Mann auf dem Dachboden erwarten und  festnehmen. Es ist die einzige Möglichkeit.»
    Elisabeth wandte sich ab. Dann trat sie an eins der Fenster ihres Salons und starrte angestrengt in die Dunkelheit.
    Königsegg fragte sich, was sie beobachtete, denn über das Becken von San Marco hatte sich eine neblige Herbstnacht herabgesenkt, und außer ein paar Gaslaternen in den Giardini war draußen nichts zu sehen. Schließlich drehte die Kaiserin sich um und sagte: «Ich stelle dem Commissario einen Passierschein nur unter zwei Bedingungen aus.»
    «Und die wären?»
    «Die Uniform für den Commissario besorgen Sie.»
    «Das ist kein Problem. Und die zweite Bedingung?»
    Als die Kaiserin die zweite Bedingung nannte, wurde  Königsegg bleich. «Majestät können unmöglich …»
    Eine energische Handbewegung schnitt ihm das Wort  ab. «Ich kann sehr wohl. Wo ist der Commissario zu erreichen?»
    «Im Palazzo Balbi-Valier.»
    Der Ton der Kaiserin duldete keinen Widerspruch.
    «Dann schreiben Sie.»

51
    Es war kurz vor zehn, als Tron am Molo aus der Gondel stieg. Ein leichter Nebel hatte sich über die Piazzetta gelegt, und die Gaslaternen vor Dogenpalast und Marciana malten gelbe Lichtkreise in die feuchte Luft. In der, wie Tron in den letzten Tagen festgestellt hatte, auch eine zunehmende Nervosität lag, die sich in einer Zweiteilung des militärischen Personals niedergeschlagen hatte. Während die angereisten kaiserlichen Offiziere sich in den zahlreichen Cafés an der Piazza vergnügten, war es die Aufgabe der in Venedig stationierten Soldaten – es handelte sich in der Regel um kroatische Jäger –, dafür zu sorgen, dass die Feierlichkeiten zum Besuch des Kaisers keine Störung erlitten. So standen überall schlechtgelaunte Kroaten herum, die bei jeder Zusammenrottung rüde einschritten und gerne die Papiere einheimischer und auswärtiger Zivilisten kontrollierten. Tron sah, dass sich zwei kroatische Leutnants vor der Markussäule postiert hatten und seine Anlandung aufmerksam beobachteten. Würde er gezwungen sein, ihnen seine Papiere zu zeigen? Himmel – hatte er sie überhaupt bei sich?
    Nein, er durfte unkontrolliert vorbeigehen, vielleicht flößte ihnen ja der neue (teure) Zylinderhut Respekt ein, den er sich hatte anschaffen müssen, nachdem sein alter auf der Patna verbrannt war.
    Das Billett Königseggs hatte ihn vor einer Stunde im Palazzo Balbi-Valier erreicht. Die Mitteilung bestand aus drei knappen Zeilen, in denen ihn der Graf bat, um zehn Uhr ins Florian zu kommen.
    Wie die Entscheidung der Kaiserin ausgefallen war, blieb offen. Aber die Nachricht war auf dickem, luxuriösem Papier verfasst worden, auf dem das Wappen der Kaiserin prangte – was immerhin darauf schließen ließ, dass eine längere Unterredung zwischen Königsegg und der Kaiserin stattgefunden hatte. Dass Königsegg ihn nicht wieder im Quadri, sondern ausgerechnet im aufrührerischen Florian treffen wollte, war eigenartig, aber Tron nahm an, dass der Oberhofmeister seine Gründe dafür hatte. Jedenfalls würde Königsegg unter diesen Umständen kaum seine Uniform tragen. Ob er wieder den kleinen Spartacus im Schlepptau haben würde? Tron musste unwillkürlich lächeln. Wahrscheinlich.
    Er ging langsam weiter, passierte zahlreiche Stände, an denen frittolini oder geröstete Maronen verkauft wurden, und lief an Gruppen kaiserlicher Offiziere vorbei, die rauchend zusammenstanden. Vor dem Portal des Markusdoms blieb er stehen, um das hölzerne Podest zu betrachten, das der Kaiser morgen Nachmittag besteigen würde. Hier würde er das Wort an seine Untertanen richten. Das Podest war kniehoch, über zwei bequeme Stufen zu erreichen und von einem Geländer umgeben, das man noch mit Blumengirlanden schmücken würde. Zwei Sergeanten der kroatischen Jäger standen Wache, und als sie ihn misstrauisch

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