Die Masken von San Marco
Spartacus hörte. Spartacus hinterließ überall im Pa lazzo Reale Häufchen und Pfützen, und die Gräfin schien einen gewaltigen Rochus auf ihn zu haben.
Jedenfalls musste sie sich unter diesen Umständen auf Gondelfahrten mit der Königsegg beschränken, die in dumpfem Schweigen neben ihr hockte und gemäß Anweisung streng darauf achtete, dass die Gondel nirgendwo anlegte. Gestern hatten sie einen Ausflug zum Lido unternommen – besser gesagt: den Lido von der Gondel aus betrachtet und auf dem Rückweg auf ausdrücklichen Wunsch der Kaiserin hin die vor der Punta di Santa Marta gelegene Explosionsstätte angesteuert. Das Schiff, das den eigenartigen Namen Patna führte, war nicht gesunken, was jedoch auch daran lag, dass außerhalb der markierten Kanäle die Lagune teilweise keine zwei Meter tief war. Was genau sich auf der Patna zugetragen hatte, wusste sie noch immer nicht, aber sie rechnete damit, auf dem morgigen Ball mehr als nur ein paar Worte mit dem Commissario zu wechseln.
Elisabeth spürte, wie sich die Hände der Angerer von ihrem Kopf lösten und die Finger aus ihren Haaren verschwanden. Dann strich, wie jedes Mal, wenn der Umhang entfernt wurde, ein leichter Luftzug über ihr Gesicht. Im Spiegel sah sie, dass ihr Haar zu einer schlichten Flechtfrisur zusammengeführt worden war, und nickte. Das war nicht die mondäne Ballfrisur, die die Angerer morgen produzieren würde, aber für heute würde es reichen.
Fünf Minuten später meldete die Zofe den Grafen Königsegg. Der Oberhofmeister betrat den Salon mit der Miene eines Mannes, den ein schweres Problem drückt – vermutlich, dachte Elisabeth, ein Eheproblem. Sie hatte hin und wieder erfolglos versucht, beratend in die eheliche Misere der Königseggs einzugreifen, und fragte sich mittlerweile, wen sie mehr bedauerte: Königsegg, weil er die Gräfin Bellegarde geheiratet hatte, oder die ehemalige Gräfin Bellegarde, weil sie an Königsegg geraten war. Die Gräfin jedenfalls wurde von Tag zu Tag zickiger, es war also kein Wunder, wenn Königsegg der Bouteille und dem Jeu anheimfiel – oder Zuwendung bei einem Tier suchte.
Königsegg hatte sich höflich verbeugt, und Elisabeth – ganz die Landesmutter – hatte die Geste mit einem aufmunternden Nicken entgegengenommen. «Was machen die Zähne?»
Königseggs Miene hellte sich auf. «Sie kommen.»
«Frisst er immer noch Kuchen?»
«Am liebsten Torte. Aber der Züchter meint, ich soll die Ernährung möglichst bald auf, äh …» Er zögerte einen Moment. «Auf kleingehacktes Fleisch umstellen.»
Elisabeth lächelte. «Was kann ich für Sie tun, Herr Generalleutnant?»
«Ich hatte eben ein Gespräch mit Commissario Tron»,
sagte Königsegg langsam. «Deshalb bin ich hier.»
«Den ich morgen Abend hoffentlich sehen werde. Hat er zugesagt?»
«Das hat er. Und auch die Fürstin von Montalcino wird kommen. Aber das war nicht der Grund, aus dem mich der Commissario um ein Gespräch gebeten hatte.»
«Und worum ging es?»
«Um den Anschlag auf das Leben des Kaisers.»
Elisabeth runzelte die Stirn. «Wir sind heute Vormittag an der Punta di Santa Marta gewesen und haben das Wrack des Schiffes besichtigt. Ich dachte, der Fall wäre erledigt.»
Königsegg seufzte. «Das dachte der Commissario auch.»
«Was ist passiert?»
«Es haben sich», begann Königsegg etwas umständlich, «Gesichtspunkte ergeben, die alles in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.»
Als der Oberhofmeister seinen Bericht beendet hatte, schwieg die Kaiserin eine Weile. Schließlich sagte sie kopfschüttelnd: «Das ist unglaublich.»
«Aber wahr. Der Commissario hat mich überzeugt.»
«Also hat der Kaiser mit Crenneville eine Natter an seinem Busen genährt.» Die Kaiserin sah Königsegg an. «Wollen Sie, dass ich mit Franz Joseph rede?»
Königsegg hob abwehrend die Hände. «Das wäre sinnlos und gefährlich. Der Kaiser würde sofort mit Crenneville sprechen, und der wäre gewarnt.»
«Was ist die Alternative?»
«Commissario Tron meint, diesen Mann rechtzeitig unschädlich zu machen.»
«Wie denn das? Der Commissario kennt den Mann nicht. Er weiß noch nicht einmal, ob es sich um einen Offizier handelt.»
«Das habe ich ihm auch gesagt.»
«Und was hat er Ihnen geantwortet?»
«Dass er Zeit und Ort des Anschlags zu kennen glaubt.»
«Das dürfte ihm nicht viel nützen», erwiderte Elisabeth.
«Die Sicherung des kaiserlichen Besuchs liegt ausschließlich in den Händen des Militärs. Es gibt
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