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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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eigenen Gift. Auch den Lachsen und Schlickgründlern war die See nach drei Wochen ununterbrochener Süßwasserzufuhr nicht mehr salzig genug, so dass sie zum Laichen den küstennahen Gewässern für immer die Schwanzflosse kehrten.
    Die kleinen Küstenfischer bis runter nach Belize flehten verzweifelt nach der Sonne. Doch die zeigte sich zaghaft nur zwischen den Scha uergüssen am verhangenen Himmel und erschrak jedes Mal wieder über die riesigen Wassermengen, die sie allein mit Hilfe ihrer Strahlen verdampfen sollte. Dicke Schwaden milchig-grünen Kondenswassers stiegen aus den Urwäldern auf und hüllten die ganze Welt in Wattebäusche aus Jade. Dünne Schleier tanzten wie Grillenflügel, riesengroß und filigran, hoch über den Baumwipfeln, strebten höher zum Licht, ballten sich unterwegs zu grauen Wolken und wurden auf halber Strecke zur Sonne durch ihr eigenes Gewicht zurück in den feuchten Schoß der Erdmutter gedrückt.
    Die Menschen in Yukatan, die auch nach Jahrhunderten spanisch g eprägter Bevormundung doch niemals westlich würden denken wollen, erbaten zwar sich in bester katholischer Manier – sicher ist sicher! –  den Beistand des Apostels Petrus. Aber wenn sie geläutert und beweihräuchert aus trockenen Gotteshäusern heraus ins Freie traten, raunten sie sich angesichts der beständig auf und ab tanzenden Nebel hinter vorgehaltener Hand zu, dass die Geister der Ahnen den Eingang von aluna und xibalba nicht mehr fänden; und beinahe so weise wie ihre Maya-Vorfahren tuschelten sie, dass die Fünfte Sonne sich dem Ende zuneige – und blieben fortan in ihren Häusern. Was dazu führte, dass sogar ihre Priester sorgenschwere Gebete von verlorenen Seelen vorwurfsvoll gen Himmel sandten. Doch nicht einmal diese frommen Stoßseufzer schafften es, die Wolken zu durchdringen. Vielleicht waren sie ja zu schwer beladen.
    Nichts war wie es war. Der Regen hatte j edes Maß verloren, und die einzelnen Tropfen ihre Fasson. Manche dieser Tropfen kamen in der Größe eines Kolibri-Eis und hatten die Farbe des Teufels. Aber sie schmeckten nie nach Schwefel. Eher nach Salbei, Süßwurz oder Hühnermist. Andere waren winzig und rund und hart wie Hagelkörner. Auch diese Tropfen weigerten sich, beim Aufprallen auf Dächern, Bäumen oder dem Boden zu zerplatzen – gerade so, als hätten sie eine Haut. Die Leute nannten sie Regenpillen. Wenn zufällig eine solche Pille die Lippen eines geduckt Vorbeihastenden benetzte, dann zuckte dieser zusammen und verzog angewidert das Gesicht, so bitter schmeckte das Teufelsgebräu. Die Kapokbäume, die seit der Ersten Sonne und vom Anbeginn allen Seins an das Symbol des Lebens waren, und an deren Wurzeln der Mensch bei seiner Geburt hinauf zur Erde klettert, wie er sich nach seinem Tode an ihren Ästen entlang zum Himmel emporschwingt oder in eine der neun Unterwelten, ließen eben diese Äste, ihre Zweige und alle Blätter hängen, als hätten sie jeden Glauben an ihren eigenen Sinn verloren; als gäbe es keinen Himmel, sondern nur noch Himmelsfluten, Sturzbäche, Rinnsale – und Regenpillen.
    Längst erwachsene Opossums sehnten sich nach der warmen und vor allem trockenen B ehaglichkeit des mütterlichen Beutels. Vollkommen verwirrte Fledermäuse schwirrten auf der Suche nach einer Höhle durch eine Welt, deren beständiges Rauschen das beste Gehör lahm legte, und in deren wabernder Nässe der oszillierendste Ultraschall unnütz verpuffte. Die Papageien hatten sich tief in die Wälder der Maya-Berge zurückgezogen, kauerten nass und zerzaust unter vormals dichten Dächern aus Zweigen und Blättern, kauten lustlos auf Hexenbesen, weil sie kein Futter fanden und schimpften lauthals, erbittert und vergebens über den nicht versiegenden Regenstrom. Brüllaffen brüllten wie nie zuvor, und Klammeraffen klammerten sich an alles und jeden. In Scharen ertranken die Mosquitos im bitteren Regen oder wurden erschlagen von Pillen, die nicht platzen wollten.
    Die Kaffeehauskultur in Mérida, Puerto Morelos und Campeche ko llabierte und die Lagerhäuser der Cafés barsten vor schwarzen und braunen Bohnen, weil die Menschen sich weigerten, Kaffee oder Kakao zu trinken; zu bitter war das Wasser, zu gallig sein Geschmack. Die Köche in Restaurants, Krankenhäusern und selbst in den kleinen Kantinen am Straßenrand bereiteten die Mahlzeiten nur noch mit ausländischen Mineralwassern zu.
    Die lokalen Radiosender übertrumpften sich in der Präsentation pla usibler Thesen über die Ursachen

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