Die Maya-Midgard-Mission
einen d'zonot – zu bilden. Dort wimmelte es von Grubenottern und nahui yacatl – Nauyacas. Niemand würde vermuten, dass sie in diese Richtung geflüchtet waren. Der Biss der Lanzenschlange tötete einen kräftigen Mann innerhalb einer Minute. Kabyum Kins Gruppe würde sich ungestört mit Cucul Patz Kin und ihrer Gefolgschaft vereinen können. Die Angst vor Schlangen war eben geringer als die Furcht vor der Rache SchlangenVogels.
Nach dem Tode RauchFroschs hatte Cucul Patz Kin, dessen Frau, die Häuptling spflichten im Dorf übernommen. Sie kam in die Stadt, um die Höhe der monatlichen Maisabgaben an die Herrscher neu zu verhandeln. Aber in Wahrheit wollte sie fliehen wie er. Kabyum Kin spürte, dass er die Beharrlichkeit seiner Schwägerin brauchte, um den Traum vom SonnenLand ins Sein zu träumen, um ihren gemeinsamen Plan in die Tat umzusetzen. Er schätzte die Stärke Cucul Patz Kins und ihren nüchternen Verstand. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie nicht gezögert, dessen Rolle auszufüllen. Ihr ähnliches Schicksal verband die beiden Verwitweten noch mehr miteinander. Und die Zukunft würde zeigen, wie belastbar dieses Band war. Vor ihnen lagen zwei bis drei Tages- und Nachtmärsche durch unwegsames Wald- und Sumpfland; mehrere kleine Flüsse waren zu überwinden; es gab nicht nur Schlangen, der Dschungel war auch das Jagdrevier des Jaguars. Über die teilweise fertiggestellte sacbé nach Cobá konnten sie nicht gehen, ohne entdeckt zu werden. Ihr Weg führte so oder so ins Ungewisse.
Kabyum Kin hoffte, seinem Namen Ehre zu machen. Aber er kon nte keine Versprechen geben und seinen Getreuen für ihren Wagemut keine Belohnung in Aussicht stellen als Freiheit oder Tod. Vielleicht beides. Solange er den Traum von der Sonne nicht in die Tat umsetzen könnte, solange hatte er seinen Namen nicht verdient. Daher verlangte er von all seinen Gefährten, dass sie ihn 'NebelGeist' nannten; denn sein Geist wanderte auf der Suche nach dem SonnenLand rastlos durch die Nebel von Raum und Zeit. Im Augenblick war die Zeit ihr Feind. Wenn FeuerLicht den Marsch in die Zukunft überleben sollte – und das war NebelGeists innigster Wunsch –, dann mussten sie vor Ablauf von drei Tagen die Mündung des Flusses Tabatabax erreichen. Allzu lange würde der FeuerEisMann im Gebiet der feindlichen Itzá nicht auf sie warten können.
Die Höhle lag am Saum des Waldes. Halb verborgen hinter einem Wall vergessener Stelen. Zum Meer hin erstreckte sich eine flache, verkar stete Landschaft mit Kakteen, Agaven, einzelnen Ceibas und trockenen Büschen, die aber bald in üppigeres, alles verschlingendes Grün überging. Durch dieses yax hindurch würde ihre Reise gehen.
Cucul Patz Kin wartete im Eingang der Höhle. Sie war in einen bra unen Wollumhang mit großen, roten Rauten gehüllt, der ihre gedrungene Figur konturlos machte. Ein milchig-grüner, flügelloser Skarabäus aus Obsidian schmückte ihren kräftigen Hals. Ihr mondförmiges Gesicht strahlte Zuversicht und Wärme aus. Und die fast unmerklich gekrümmte Nase reckte sich kühn der Zukunft entgegen. Jedenfalls schien es NebelGeist so, als er Cucul Patz Kin mit einer herzlichen Umarmung begrüßte.
Sie erwiderte seine Umarmu ng ohne Scheu. "Wie geht es FeuerLicht, meinem Schwagerkind?", fragte sie leise. "Werdet ihr verfolgt?"
NebelGeist wischte sich den Regen von der gramgefurchten Stirn. "Ich weiß nicht, ob ich ihn töte durch unsere Flucht. Ich weiß nur, dass er stirbt, wenn wir bleiben. Nein, liebe Schwester, niemand hat unsere Flucht bemerkt. Und wie ist das mit dir?"
Cucul Patz Kin lächelte, weil sie sich über die Anrede freute, die N ebelGeists Zuneigung zeigte, und deutete mit dem Kopf in die Höhle. "Meine Söhne sind gesund und munter. Meine Leute vertrauen mir. Sie sind alle dort drin, wärmen sich an einem Feuer und halten die Schlangen mit Fackeln in Schach. Fünfzehn Familien. Das ganze Dorf."
" Gut", sagte NebelGeist, "sobald Caupolican zu uns stößt, können wir aufbrechen."
" Was hält ihn auf?", fragte Cucul Patz Kin besorgt.
Sie wusste nur zu gut, wie wichtig Caup olican, der Krieger-Kaufmann und Itzá-Händler, für ihr Unternehmen war. Er allein kannte den Weg. Seit Jahren bereiste er die Jadestraße, den Handelsweg quer durch das Mayaland. Caupolican allein wusste, wo man einen Fluss gefahrlos überqueren konnte oder wie man die Spur des Jaguars umging. Er vergaß keine Furt, kein Erdloch und keine Lichtung. Jeder Sumpf, jedes Schlangennest und
Weitere Kostenlose Bücher