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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Wiltshire, die vom Flugzeug aus aufgenommen worden waren. Die Ähren leuchteten golden in der Augustsonne, und irgendjemand hatte einen Wal oder die Stilisierung eines Wals mitten ins wogende Korn gemalt. Das Teleobjektiv zeigte wie kunstvoll zahllose Büschel von Ähren zu dem Gesamtkunstwerk miteinander verwoben waren, ohne dass am einzelnen Halm der geringste Schaden entstanden wäre. Eine dritte Fotoserie beschäftigte sich mit einer eher geometrischen Kornformation. Für Daria symbolisierte die ausdrucksstarke Kombination von Kreisen und Dreiecken auf eine nur schwer in Worte zu kleidende Weise die Verknüpfung der schöpferischen Elemente: Feuer, Wasser, Erde und Luft. Vier kleinere Kreise, die einen fünften großen umringten, verbunden durch gleichschenklige Dreiecke. Die Kornkunst ging aber noch einen Schritt weiter und erinnerte sie an eine antike Symbolik, die quinta essentia: das fünfte Zeichen, die Quelle der Lebenskraft, die stilisierte Sonne aus der Maya-Glyphe.
    Daria betrachtete die Kornkreise und grübel te über ihrem Stichwort. Irgendeine tiefe Bedeutung – eine Verbindung zu einem anderen Geheimnis – lag tief in ihrem innersten Ich versteckt und wollte nicht an die Oberfläche steigen. Quintessenz: das fünfte Element, die Sechste Sonne, Lebensenergie, Geheimnis des Lebens, die Kraft der Liebe gar? Vielleicht das kosmische Bewusstsein? Oder die Seele? Oder das vermeintlich so unbestimmbare Medium des Äthers? Aristoteles oder Reich? Orgon? Prana? Chi? Eine Art universeller Geist? Universaldatenspeicher des Un- oder Unterbewussten? Die Begriffe purzelten durch Darias Gedanken, aber brachten sie nicht zum gewünschten Ziel. Die Entdeckung des Wikingers und die drohende Diagnose schienen ihre gesamte Geisteskraft für den heutigen Tag zu vereinnahmen. Dem eigentümlichen Reiz der Kornkreise konnte sie sich jedoch nicht entziehen.
    Ein letztes Foto mit dem handschriftlichen Vermerk: "Hier werden Sie die Bücher finden!", schlug sie völlig in den Bann der Piktogramme. Sie wandte sich zum Computer und hämmerte hastig einige Befehle in die Tastatur. Auf dem Schirm erschien ein Bild, das wie der Querschnitt durch ein mit Wasser gefülltes, bauchiges Tongefäß aussah. Daria wusste, dass es die Maya-Glyphe für einen Dolinenbrunnen – einen Dz'onot oder Cenote – war. Was sie nicht wusste, war, wie die beinahe 50 Meter im Umfang messende Kopie dieser Glyphe in ein südenglisches Weizenfeld hineingelangen konnte.
    Der Manila-Umschlag war ohne Absender, aber auf einem Bild e rkannte Daria eine Signatur. Mayatzlan stand dort geschrieben, nichts weiter. Dieser Mayatzlan versprach ihr die Antwort auf alle Fragen in einem knappen Begleitbrief. "Habe Ihre Arbeiten mit Interesse verfolgt! Ihr Durchbruch steht kurz bevor! Mein Vorschlag: Wir treffen uns auf Aurora!", schrieb er.
    Daria Delfonte überlegte. Sie bekam oft Post von Kollegen. Meist waren es kritische Anmerkungen zu dieser oder jener ihrer Fachverö ffentlichungen, selten Fanpost, aber nie solch skurriles Material, wie das von Mayatzlan. Schließlich waren es die eindrucksvollen Bilder, die sie bewogen, der Sache auf den Grund zu gehen. Das einzige ihr bekannte Aurora war eine Kleinstadt im US-Bundesstaat Illinois, in der Nähe von Chicago. Doch Mayatzlan sprach von 'auf Aurora'. Also eine Insel.
    Entschlossen verdrängte sie jeden Gedanken an Brustkrebs und Ch emotherapie. Stattdessen legte sie die CD mit Chiclana Cissés Trommelritualen in das Laufwerk ihres Laptops und erhöhte auf volles Volumen.
    "Padompadedompadedompompompadompadedompadedompompompadompadedompadedo mpompompadompadompadedom…"
     
     
    ***

16  Und mein Adler
     
    spannte weit seine Flügel aus, flog über Land und Meer, als kenne er sich aus.
    "Padompadedompadedompompompadompadedompadedompompompadompadedompadedo mpompompadompadompadedom…"
    Die Luft rauscht in meinen Federn. Sie trägt mich empor. Höher und höher. Mit jedem Trommelschlag und jedem Flügelschlag gleite ich höher und höher. Über und unter mir nichts als reine klare kühle Luft, die mich trägt. Vor mir die grenzenlose Weite. Über mir der Himmel. Alle Schwere liegt jetzt hinter mir. Ich bin nur noch Leichtigkeit und Lebensfreude. Mit jedem Schlag und mit jedem Atemzug fühle ich die Reinheit, die Klarheit und die Leichtigkeit. In mir. Meine Muskeln arbeiten mit voller Kraft. Ich spüre ihre Ausdauer und Bewegung. Meine Blicke dringen mühelos durch die reine, unendliche Weite. Die Klarheit ist um

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