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Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Malzieu
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unmittelbar vor dem Tod würde man ein weißes Licht sehen. Ich sehe nur Schatten. Riesige Schatten, überall um mich herum, und einen Schneesturm aus schwarzen Flocken. Schwarze Kristalle, die sich auf meine Hände und ausgebreiteten Arme legen. Dort, wo der düstere Schnee von meinem Blut durchtränkt ist, blühen rote Rosen. Dann verschwinden die Rosen, und mein Körper löst sich auf. Ich fühle mich wie kurz vor einem Langstreckenflug: ängstlich und zugleich seltsam entspannt.
    Unter meinen Lidern blüht ein letzter Strauß Funken auf: Miss Acacia tanzt schwankend auf ihren Stöckelschuhen, Doktor Madeleine beugt sich über mich und zieht meine Uhr auf, Arthur singt ein langsam swingendes Oh When the Saints , und Miss Acacia schwankt auf ihren Stöckeln, Miss Acacia schwankt auf ihren Stöckeln, Miss Acacia schwankt auf ihren Stöckeln …
    Irgendwann reißen mich Miss Acacias Schreie aus dieser Zwischenwelt. Ich hebe leicht den Kopf und sehe sie an. Traurigkeit und Wut sind aus ihrem Blick gewichen, haben blankem Entsetzen Platz gemacht. Ihre Wangen sind eingefallen, ihre Brauen zeichnen Spitzdächer über ihre Augen. Gestern las ich Liebe darin, jetzt sind sie zwei leere Löcher. Es ist, als würde ich eine wunderschöne Leiche betrachten. Heiße Verzweiflung steigt in mir auf, und meine Wut auf Joe wird nur noch übertroffen von meiner Wut auf mich selbst.
    Miss Acacia rauscht an mir vorbei wie ein trauriger Komet und stürzt aus ihrer Garderobe, ohne sich umzudrehen. Die Tür knallt zu wie ein Schuss. Aus meinem Hut flattert ein Vogel, den Méliès bei einem seiner Zaubertricks dort vergessen haben muss, und plustert sich nervös auf. Mir ist kalt, und mir wird immer kälter. Es ist der kälteste Abend aller Zeiten. Würde mir jemand mit einem glühenden Schürhaken im Herz herumstochern, wäre das ein angenehmeres Gefühl.
    Miss Acacia ist fort, und ich bin allein. Ich höre draußen jemanden gegen eine Straßenlaterne laufen und auf Spanisch fluchen. Mein durchgeschmortes Gehirn bestellt bei meinem Gedächtnis ein Lächeln, aber die Order geht unterwegs verloren.
    Einige Meter über der Bühne zerreißt ein Blitz den Himmel. Regenschirme platzen auf wie Blumenknospen auf einem frischen Grab. Allmählich habe ich es satt zu sterben.
    Mit der linken Hand greife ich nach meiner Kuckucksuhr, die mir aus der Brust hängt. Blut rinnt über die Zahnräder. Mir ist schwindelig, ich weiß nicht, wie ich meine Beine zum Laufen bringen soll. Sobald ich es versuche, knicken sie mir weg wie einem frisch geschlüpften Kanarienvogel.
    Der Kuckuck hustet bei jeder Zuckung meines Köpers, Holzsplitter fallen zu Boden. Bleierne Müdigkeit überkommt mich. Ich verdunste im Nebel und denke an Jack the Ripper. Werde ich so enden wie er? Werde ich statt der Lebenden die Toten lieben?
    Mein ganzes Leben galt Miss Acacia, meine Träume und meine Wirklichkeit, nichts hat funktioniert. Ich wollte, dass es funktioniert, ich wollte es unbedingt. Vielleicht wollte ich es zu sehr. Ich wollte alles für sie tun: ein Stück vom Mond zermahlen und als silbernen Glitterregen auf sie herabrieseln lassen, nie mehr vor dem ersten gähnenden Vogelzwitschern im Morgengrauen schlafen gehen, auf der Suche nach ihr den Erdball umrunden … Und das soll es jetzt gewesen sein?
    Ein zweiter Blitz zuckt und schlägt stumm in den Strand ein. Das Meer wird für einen kurzen Augenblick erleuchtet. Vielleicht hat mir Miss Acacia doch noch etwas zu sagen?
    Im nächsten Augenblick knipsen die schäumenden Wellen das Licht wieder aus, und Marbella liegt im Dunkeln. Die Zuschauer stieben im Regen auseinander wie die Hasen bei der Jagd. Es wird Zeit, dass ich meine Träume einpacke und gehe.

13
    éliès braucht zwei Tage, um meinen schlaffen Körper von Marbella nach Granada zurückzuschleppen. Endlich tauchen die ersten Gebäude vor uns auf. Aus der Ferne erinnert die Alhambra an einen Elefantenfriedhof. Gleißend helle Stoßzähne drohen mich zu durchbohren.
    »Halt durch! Halt durch!«, flüstert mir Méliès ins Ohr. »Gib nicht auf, lass mich nicht allein!«
    In mir zerfällt alles in seine Einzelteile. Ich schiele auf die Stümpfe meiner Zeiger. Der Anblick macht mir Angst, er erinnert mich an meine Geburt.
    Alles, was mir wichtig war, löst sich in nichts auf. Ich wollte lieben und eine Familie gründen und meine Uhr in Schuss halten, um so lange wie möglich zu leben. Meine brandneuen Erwachsenenträume schmelzen dahin wie Schnee in der Sonne. Was

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