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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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übermächtig und ergriff von mir vollends Besitz. Ich konnte mich nicht dagegen wehren und wollte es auch nicht. Ich wollte glücklich sein, wollte die Nähe eines Mannes spüren, seinen Körper, seinen Geruch und seine Kraft …
    Irgendwann küssten wir uns leidenschaftlich, und Gaspare flüsterte mir ins Ohr: »Bleiweißmädchen?«
    »Ja?«, flüsterte ich zurück.
    »Ich teile wirklich nicht mehr das Bett mit meiner Frau.«
     
    Es begann eine Zeit des Glücks und der Erfüllung für mich. Gaspare besuchte mich regelmäßig in meinem Haus, aß und trank mit mir, lachte und scherzte mit mir und blieb nicht selten über Nacht. Ich glaube, wir waren beide ziemlich närrisch, in einer Art, wie es nur Verliebte sein können. Manchmal fragte ich mich am Morgen, wenn Gaspare neben mir aufwachte, ob es immer so weitergehen könne, aber ich wollte die Antwort gar nicht wissen. Wir lebten nur in der Gegenwart, genossen das gute Essen, das ich für uns beide kochte, bestellten zu unserer Erbauung Musikanten ins Haus oder sprachen über die neueste Mode, wobei Gaspare im Brustton der Überzeugung behauptete, die Farbe der Liebe sei Schwarz, schließlich trüge er Schwarz, und er sei in mich verliebt. Ich wiederum bestand auf Rot, denn Rot war die Farbe meines neuen Kleides, das ich mir geschneidert hatte, einen Traum mit gewagtem Dekolleté, gefertigt aus kostbarer Seide, die Gaspare mir geschenkt hatte.
    Über derlei glücklichen Belanglosigkeiten verging der Sommer, der Herbst kam, und unsere Liebe war nach wie vor so innig wie am ersten Tag.
    Am 26. November war es so weit, Gaspare wurde offiziell zum Doktor beider Grade erklärt und sein neuer Status im
Libro confidenziale
des Archiginnasios festgehalten. Seiner Inauguration, die einen ganzen Tag lang dauerte und unter dem dröhnenden Geläut von
la scholara
zelebriert wurde, folgten Feste und Bälle mit größtem Gepränge. Er bat dazu nur die ersten Familien Bolognas in sein Haus, und fast alle folgten seiner Einladung. Es wurde getanzt, musiziert, deklamiert und auf das Üppigste getafelt. Seine neuen Professoren-Kollegen, allen voran Aranzio und Aldrovandi, schenkten ihm einen kostbaren Fuchspelz, den er zum Zeichen seiner neuen Würde von nun an bei jeder Vorlesung tragen sollte.
    Es war eine wundervolle Zeit, die nur einen kleinen Missklang aufwies: Die Teilnahme an sämtlichen Feierlichkeiten blieb mir versagt, denn an Gaspares Seite stand ausschließlich Giulia, seine schöne Gemahlin.
    Doch ich sagte mir, alles im Leben hat seinen Preis, und fügte mich in die Situation.
    Auch Latif bereitete mir einigen Kummer, denn immer, wenn Gaspare in meinem Haus weilte, zeigte er sich von seiner unverträglichsten Seite. Er war einsilbig und bockig, gab Widerworte oder erschien erst gar nicht, wenn man ihn rief. Zur Begründung führte er stets an, er müsse sein Gebet verrichten. Ich sei zwar seine Herrin, aber Allah, der Alleswissende, der Allessehende, sei der Herr aller Herren, und wenn Er ihn zum Gebet riefe, müsse er gehorchen.
    Ich nahm Latifs Erklärung hin, doch an manchen Tagen hatte ich das Gefühl, er würde statt fünfmal mindestens zehnmal seinen Teppich gen Mekka ausrollen. Darauf angesprochen, erwiderte er, er zähle nicht mit, wie oft Allah ein Gebet verlange, das müsse ich verstehen.
    Ich verstand es nicht. Ebenso wie ich nicht verstand, warum er Gaspare nicht mochte. Nach ein paar Versuchen, bei ihm einen Sinneswandel herbeizuführen, beließ ich es notgedrungen dabei und verkroch mich, wenn die Zeit es erlaubte, in meine Bücher. Wer zu lesen vermag, dem eröffnet sich mit jeder Seite eines Buches eine neue Welt. Hildegard von Bingen wurde zu einer meiner Lieblingsschriftstellerinnen. Ich bewunderte ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Lebensklugheit.
    Auch Trotula, die berühmte Ärztin der einstigen Schule von Salerno, berührte mich mit ihren Werken aufs Tiefste. Mit heißem Herzen las ich
Passionibus Mulierum Curandorum,
eine umfangreiche Abhandlung über die Tätigkeit der Heilkunst an Frauen, in der ich zum ersten Mal etwas über die Einteilung in fruchtbare und unfruchtbare Tage während des weiblichen Zyklus erfuhr.
    Ein Plan reifte daraufhin in mir heran, ein kühner Plan, nach dessen Gelingen ich Gaspare mit dem Ergebnis überraschen wollte. Es war ein Sonntagnachmittag, ein windiger Tag im Dezember. Wir hatten ein von mir mit viel Liebe zubereitetes Mahl eingenommen, saßen Hand in Hand am Tisch, und Gaspare sagte, während er das Mundtuch

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