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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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lautete sein Urteil nach einer Weile. »Gott hat meine Gebete erhört.« Dann gestattete man mir weiterzumachen. Ich trug eine Heilsalbe auf und legte einen neuen, leichteren Verband an.
    Nachdem ich fertig war, sagte Seine Exzellenz: »Ich danke Euch, Dottore, ich danke Euch sehr für Eure Künste.«
    »Es war mir ein Vergnügen, hochwürdigste Exzellenz, betrachtet mich als Euren Diener«, antwortete Gaspare mit einer tiefen Verbeugung.
    Ich presste die Lippen zusammen und räumte die Reste des Verbandszeugs fort.
    Seine Exzellenz räusperte sich und winkte Gaspare zu sich heran. Mit gesenkter Stimme sprach er: »Wie ich weiß, haben vor kurzem, ich glaube, es war am sechzehnten Mai, einige hochrangige Bürger feierlich beeidet, dass Ihr ein ehelich geborener Sohn Bolognas seid. Somit habt Ihr auch die letzten Voraussetzungen erfüllt für die Ernennung zum Hochschul-Doktor der Medizin und Philosophie und für Eure Aufnahme in den erlauchten Kreis der Kollegen beider Grade. Nach meiner Kenntnis wird es voraussichtlich Ende November so weit sein.«
    Gaspare strahlte. Dann verbeugte er sich tief – etwas zu tief, wie ich fand – und rief: »Exzellenz, mit dieser Information macht Ihr mich zum glücklichsten Mann Bolognas!«
    »Das bleibt aber unter uns.«
    »Selbstverständlich, Exzellenz, ich weiß von nichts.«
    »Schön. Um offen zu sein, habe ich meine Zustimmung zu Eurer Ernennung gern gegeben, zumal so untadelige Herren wie Ludovicus de Rofini, Matheus de Ocelli, Augustinus de Bargelinis und ein paar andere für Euch gesprochen haben. Nicht zu vergessen natürlich Professor Ulisse Aldrovandi, der seinen Streit mit den Apothekern endlich beendet zu haben scheint. Nun, es wurde auch langsam Zeit, nachdem er und die Gegenpartei im März von Seiner Heiligkeit in Rom höchstselbst zum Einlenken ermahnt wurden.«
    »Ich bin ganz Eurer Meinung, Exzellenz.« Gaspare schob dem Patienten ein Kissen in den Rücken und fragte: »Darf ich Euch eine Erfrischung bringen lassen?«
    »Das wäre schön.«
    Gaspare bedachte mich mit einem auffordernden Blick. Aber nun reichte es mir. Die Herren hatten mich die ganze Zeit behandelt, als gäbe es mich nicht. Über meinen Kopf hinweg hatten sie sich unterhalten, ein Neutrum war ich für sie gewesen, ein bedeutungsloses Nichts, obwohl meine Leistung nicht unwesentlich zum Gelingen der Rekonstruktion beigetragen hatte.
    Ich musste meiner Verärgerung, die sich von Mal zu Mal mehr aufgestaut hatte, Luft machen.
»Arrivederci«,
stieß ich hervor und eilte aus dem Raum. Mochte der hochgelobte Herr Doktor die Erfrischung für Seine Exzellenz doch selbst holen! Ich war nicht sein Lakai!
    Zornbebend verließ ich das terrakottafarbene Haus und rannte im Sturmschritt nach Hause.
     
    »Was ist mit Euch, Herrin?«, fragte Latif mich eine Stunde später. Er war vom Einkaufen zurück und sah mir meinen Gemütszustand an der Nasenspitze an.
    »Nichts«, sagte ich und vergrub mich in meine Bücher.
    Latif trat näher. »Wenn Ihr lest, Herrin, sehe ich es, und wenn Ihr nicht lest, sehe ich es auch. Im Moment lest Ihr nicht, obwohl Ihr ein aufgeschlagenes Buch in der Hand haltet. Ich kenne das. Die Buchstaben sind da, aber sie werden von den Bildern, über die man sich ärgert, verdrängt. Sagt mir, was ist geschehen?«
    »Nichts«, sagte ich wieder.
    Latif kullerte mit den Augen und verschwand in der Küche. Ich versuchte weiterzulesen, aber es war genauso, wie mein Diener gesagt hatte. Ich sah die Buchstaben, und ich sah sie doch nicht. Deshalb legte ich das Buch, es handelte sich um ein Werk der Hildegard von Bingen mit dem Titel
Causae et curae,
aus der Hand und wollte zu ihm gehen, um ihm zu sagen, dass er recht hatte. Doch auf dem Weg in die Küche wurde ich unterbrochen. Es klopfte kräftig an der Tür. »Lass nur, Latif, ich gehe selbst!«, rief ich und öffnete.
    Draußen stand Gaspare. Halb hatte ich ihn erwartet, halb wieder nicht, denn noch niemals zuvor war er zu mir in die Strada San Felice gekommen. Ohne Umschweife begann er mit ernster Miene: »Ich habe dich aufgefordert, Seiner Exzellenz eine Erfrischung zu holen, und darüber warst du erbost. Niemand bereut das mehr als ich, denn ich hätte Adelmo damit beauftragen müssen.«
    »Das hättest du in der Tat«, sagte ich kühl.
    »Es war ein Fehler. Bitte, verzeih mir. Die Information über meine Ernennung zum Doktor zweier Grade war unerhört wichtig für mich und meine Karriere. Die ganzen letzten Jahre habe ich darauf

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