Die Medica von Bologna / Roman
ist noch nicht so weit. Wenn du jetzt kämst, wärst du noch nicht ganz fertig, hörst du?«
Als ich Latif von meiner Befürchtung erzählte, erschrak er sehr und meinte, ich müsse mich unbedingt in ärztliche Obhut begeben. Doktor Valerini wäre zwar inzwischen ein alter Mann, aber es wäre besser, ihn zu holen.
»Nein«, sagte ich, »ich mag Doktor Valerini nicht besonders. Er ist jemand, der das Geld des Patienten zu sehr schätzt.«
»Dann hole ich eine Hebamme, Herrin.«
»Hol mir lieber ein Glas Wasser, und lass mich hier in Ruhe liegen. Ich habe Durst.«
Latif holte das Wasser und sagte: »Herrin, ich mache mir wirklich Sorgen um Euch, Euer Bauch ist so dick, als wären zwei Giancarlos darin. Sollte ich nicht doch …?«
»Das ist nur das Fruchtwasser«, beruhigte ich ihn. »Wenn du etwas tun willst, dann bleib bei mir.«
Er setzte sich zu mir, fasste sich alle Augenblicke an seine neue Nasenspitze und fragte: »Herrin, wie geht es Euch?«
Ich seufzte innerlich und dachte, dass Männer als Begleiter bei einer Schwangerschaft wahrlich keine große Hilfe darstellten, und sagte: »Wenn du noch etwas tun willst, dann rühre mir einen sedierenden Trank an. Der wird mich und den Kleinen beruhigen.«
Er sprang auf, rannte, so schnell ihn seine Beine trugen, in die Küche und kam genauso schnell zurück. »Herrin, wie macht man das?«
»Indem man ein Sedativ in Pulverform nimmt und es in warmem Wasser auflöst. Das Sedativ besteht aus Alraune, Kamille und Hopfen. Du findest beides im Regal mit dem medizinischen Besteck.«
»Ja, Herrin.«
Ich trank die von ihm präparierte Flüssigkeit mit kleinen Schlucken und lehnte mich bequem im Bett zurück. Latif setzte sich abermals zu mir und fuhr fort, mich ständig zu fragen, wie es mir ginge.
»Bring mir bitte das Buch
De humano foeto
von Professor Aranzio«, sagte ich.
»Wollt Ihr darin etwas nachschlagen, Herrin?«
»Ja, das will ich. Und wenn du es mir gebracht hast, lass mich ein wenig lesen und dann schlafen. Es wird schon alles gut werden.«
Er ging, holte das Buch und verschwand danach, halb besorgt und halb beleidigt. Aber ich brauchte meine Ruhe. Ich schlug Aranzios Werk auf und suchte nach dem Kapitel, in dem er seine Erfahrungen mit Frühgeburten schildert. Ich versprach mir nicht viel davon, denn ich hatte das Buch – schon allein Giancarlos wegen – wieder und wieder studiert, doch ich fand zwei Hinweise, die mir bisher entgangen waren. Sehr viel Fruchtwasser, so schrieb er, stehe nicht selten im Zusammenhang mit einer Frühgeburt, ebenso wie eine Infektion im Vaginalbereich. Seine Ausführungen trugen nicht gerade zu meiner Beruhigung bei, zumal ich seit einigen Tagen an einer leichten
inflammatio
im Geburtskanal litt.
Mach dich nicht verrückt, sagte ich mir, was versteht ein Mann schon vom Kinderkriegen. Er ist zwar Professor, aber auch nur ein Mann.
Meine Gedanken glitten ab und wanderten von Aranzio zu seinem besten Schüler, zu Gaspare Tagliacozzi, und bei dem Gedanken an ihn, der meinen kleinen Giancarlo hatte abtreiben wollen, obwohl er sein eigen Fleisch und Blut war, zog sich mir das Gedärm zusammen. Das starke Ziehen setzte wieder ein, regelmäßig und so schmerzhaft, dass ich kaum atmen konnte. Ich war mir mittlerweile sicher, dass es sich um Geburtswehen handelte, und stieß ein Gebet hervor, in dem ich Gott den Allmächtigen um Beistand bat. Mühsam erhob ich mich und schleppte mich zu dem Gebärstuhl, den ich vor einiger Zeit angeschafft hatte. Ich rief mehrmals nach Latif, doch er kam nicht. Wo war er nur? Ich saß in dem unbequemen Stuhl, die Beine halb angezogen, schmerzerfüllt, und versuchte, mich abzulenken, indem ich mit Giancarlo sprach. »Mein Kleiner«, stöhnte ich, »warum hast du es nur so eilig? Warum lässt du dir nicht ein bisschen mehr Zeit? Die Welt, die auf dich wartet, ist laut, schmutzig und ungerecht.« Natürlich bekam ich keine Antwort, aber darum scherte ich mich nicht, sondern sprach weiter: »Wenn du unbedingt willst, dann komm jetzt, ich helfe dir, ich werde pressen, wenn es so weit ist, ich werde dir helfen, ja, das werde ich, und ich will stark sein für dich, nur für dich, mein Kleiner.«
Dieses und Ähnliches murmelte ich vor mich hin, während ich immer wieder nach Latif rief, von Mal zu Mal verzweifelter, denn ich wollte nicht mehr allein sein. Ein Gedanke kam mir, den ich zuvor schon manches Mal gehabt, aber immer wieder beiseitegeschoben hatte: Würde mein kleiner Giancarlo ebenso wie
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