Die Medica von Bologna / Roman
Hochwürden.«
»Zuvor aber schicke deinen Diener hinaus, denn ich höre, er ist kein Anhänger des allein seligmachenden Glaubens.«
Nachdem Latif mit vorwurfsvollen Blicken gegangen war, leitete Pater Edoardo umständlich die Zeremonie ein. Er redete viel von Gottes Gnade und dem heiligen Sakrament der Taufe, predigte lange und hingebungsvoll, bespritzte das winzige Köpfchen mit geweihtem Wasser, taufte meinen Sohn im Namen der Dreifaltigkeit auf den Namen Giancarlo, sang danach mit leicht brüchiger Stimme ein
In dulci jubilo
und kam nach einem weiteren Gebet mit einem langgezogenen Amen zum Schluss.
»Ich danke Euch, Hochwürden«, sagte ich und leistete ihm insgeheim Abbitte. Sosehr ich seine lüsterne Art früher verabscheut hatte, so hoch rechnete ich ihm an, dass er in dieser Situation zu mir gekommen war. »Ich danke Euch, auch im Namen von Giancarlo.«
»Danke nicht mir, danke dem Herrn, der meine Schritte in dein Haus leitete, meine Tochter.« Er streckte die Hand aus, um mich zu berühren, aber ich wich zurück, so dass er seine Absicht ändern musste. Er schlug das Kreuz und sagte: »Ich habe dein Kind mit Freuden getauft. Nicht zuletzt deiner armen Mutter wegen, die zeit ihres Lebens eine gottesfürchtige Frau war. Was aber dich betrifft, meine Tochter, so solltest du deine Sünden beichten und deine Seele reinwaschen. Danach wirst du wieder eins mit Gott dem Herrn sein, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.«
»Ja, Hochwürden.« Ich deutete einen Knicks an.
»Mit dem Segen des Allmächtigen wird Giancarlo leben – oder sterben. Sein Wille geschehe.«
Er schlug abermals das Kreuz und ging.
Schon zwei Tage später sah ich Pater Edoardo wieder. Er kam, weil mein kleines, zartes, mein über alles geliebtes Söhnchen seinen allerletzten Atemzug getan hatte. Ich war blind vor Tränen, trauerte, wie noch keine Mutter zuvor getrauert hatte, schrie meinen Schmerz hinaus, wütete im Haus, trommelte gegen die Wände und verfluchte die Ungerechtigkeit des Lebens. Augenblicke später fiel ich kraftlos in mich zusammen, wimmerte nur noch, klagte, zuckte, nur um kurz darauf wieder erneut zu wüten. Ich war eine Verrückte, Rasende, ich trauerte bis zur völligen Erschöpfung, so lange, bis keine Kraft mehr in mir war.
»Dein Diener hat mich geholt, meine Tochter«, sagte Pater Edoardo. »Des Herrn Wille ist geschehen, er hat entschieden, Giancarlo zu sich zu nehmen. Aber er ist nicht tot, das sei dir zum Trost gesagt. Er lebt. Er geht nur auf der anderen Seite des Weges. Eines Tages, wenn auch du die Straße kreuzt, wirst du wieder mit ihm vereint sein.«
Ich antwortete nicht. Ich war nicht in der Lage dazu. Mit leerem Blick saß ich auf meinem Bett, teilnahmslos.
»Giancarlo ist als Christ gestorben, meine Tochter. Der Christ, der sein Sterben mit dem Sterben Jesu vereint, versteht den Tod als ein Kommen zu Jesus und als den Eintritt in das ewige Leben.«
»Ja«, hauchte ich.
»Bete mit mir, meine Tochter, bevor ich deinen Giancarlo salbe und ihm die Sterbesakramente gebe.
Brich auf, christliche Seele, von dieser Welt,
im Namen Gottes, des allmächtigen Vaters,
der dich erschaffen hat,
im Namen Jesu Christi, des Sohnes des einzigen Gottes,
der für dich gelitten hat,
im Namen des Heiligen Geistes,
der über dich ausgegossen ist:
Heute noch sei dir in Frieden deine Stätte bereitet
und deine Wohnung bei Gott im heiligen Zion …«
Pater Edoardo betete weiter und weiter, und seine Worte rauschten an mir vorbei wie die Wasser des Reno und der Savena. Er salbte meinen Kleinen und brannte Weihrauch ab, redete eintönig und wirkte emsig, doch bei alledem sah ich ihn nicht. Ich sah nur meinen kleinen Giancarlo, mein Herzblatt, mein süßes Söhnchen, und irgendwann sah ich ihn nicht mehr, denn die Zeremonie war vorbei, und vor das Gesichtchen Giancarlos schob sich ein anderes, das groß war und dick und eine schöne neue Nase hatte.
Latif sagte: »Er ist fort, Herrin. Der Priester des Unglaubens ist fort, aber bevor er ging, sah er sich genötigt, mit mir zu sprechen, denn Ihr wart nicht in der Lage dazu. Er fragte mich, was mit unserem Kleinen geschehen solle, und ich sagte ihm das, was wir besprochen hatten: Giancarlo, das Licht unserer beiden Herzen, soll neben Eurer Mutter seine letzte Ruhe finden. Er war damit einverstanden, doch als ich ihm sagte, Ihr würdet Euch nicht in der Lage fühlen, an der Beisetzung teilzunehmen, war er ganz und gar nicht erbaut. Immerhin:
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