Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
mittlerweile sehr gut. Viel besser als Ihr. Und nun müsst Ihr schweigen, sonst wecken wir noch die ganze Nachbarschaft auf.«
    Wir warteten, bis unsere Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten, und tasteten uns dann vorsichtig vorwärts. Wir schlugen mehrere Haken, passierten Winkel und Ecken, bis ich vollständig die Orientierung verloren hatte, aber Latif ging, ohne zu zögern, immer weiter. Irgendwann wich die Dunkelheit, und vor uns tauchten mehrere schwache Lichter auf. Ich erkannte die Porta di San Mamolo und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Wir müssen uns hier bis zum Morgengrauen verstecken, Herrin«, flüsterte Latif. »Das Tor ist über Nacht geschlossen, aber beim ersten Hahnenschrei versuchen wir, die Stadt zu verlassen.«
    »Du sagst das, als könnte es schwierig werden?«
    »Vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht. In jedem Fall wird es besser sein, wenn man uns beim Passieren des Tores nicht sieht.«
    Das leuchtete mir ein.
    »Der Hinterhof da drüben sieht verlassen aus, Herrin. Lasst uns dort warten.« Wir gingen hinein und setzten uns in der dunkelsten Ecke auf die kalte Erde. Fröstelnd lehnte ich mich an meinen Diener. Zum ersten Mal in dieser Nacht wurde mir die ganze Tragweite unserer Flucht bewusst. »Mir fehlt mein Zuhause«, flüsterte ich.
    »Welches meint Ihr, Herrin?«, flüsterte er zurück. »Unser Haus in der Strada San Felice oder die Casa Rifugio?«
    »Das ist eine gute Frage.« Ich musste an das Haus der Bettler denken und an die letzten Augenblicke unseres Abschieds. Nacheinander waren die Freunde an mich und Latif herangetreten, und jeder hatte mir ein paar Münzen in die Hand gedrückt. Sogar Itzik, der alte Jude, von dem es hieß, er würde jeden Baioccho lieber dreimal spalten, bevor er ihn ein Mal ausgab. Ich hatte das Geld nicht annehmen wollen, aber Latif hatte gesagt: »Herrin, man soll nehmen, was man kriegen kann. Wir haben einen langen Weg vor uns, das Geld wird uns noch früh genug ausgehen.«
    Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Auch Latif hatte es gehört, aber es schien ihn nicht weiter zu beunruhigen. »Das sind nur ein paar späte Zecher aus einer Trattoria«, sagte er. »Die Trattoria heißt sinnigerweise
Porta Mamolo.
Wenn es Euch beruhigt, Herrin, schaue ich nach.«
    Noch ehe ich etwas einwenden konnte, war er aufgestanden und in der Dunkelheit verschwunden. Ich wollte ihm hinterherrufen, er solle bleiben, er könne mich nicht einfach allein lassen, aber ich musste still sein, wollte ich nicht Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
    So wartete ich grollend und frierend auf ihn. Irgendwann nach einer kleinen Ewigkeit kam er zurück und ließ sich ächzend neben mir nieder. »Gute Nachrichten …«, flüsterte er, aber ich ließ ihn nicht weiterreden.
    »Wie konntest du mich einfach so verlassen«, schimpfte ich. »Ich dachte schon, du kämst niemals wieder.«
    »Aber, Herrin, wie könnt Ihr nur so etwas glauben! Wenn ich Euch verlassen wollte, hätte ich schon hundertfach Gelegenheit dazu gehabt.«
    Ich sah ein, dass er recht hatte, und murmelte: »Verzeih. Alles ist so dunkel, so drohend, so ungewiss …«
    »Vielleicht wird es bald besser, Herrin.« Latifs Stimme klang so, als grinste er. »In der Trattoria sitzen tatsächlich einige Zecher. Es sind Söldner, denen der Alkohol die Zunge gelockert hat, weshalb jeder Einzelne größten Wert auf die Behauptung zu legen scheint, er hätte von allen die gefährlichsten Abenteuer bestanden. Aber das will ich gar nicht erzählen. Die Kerle in ihrem Suff prahlten nämlich auch, ihr Herr sei einer der reichsten Tuchhändler aus Forli und wolle morgen eine Wagenladung bester Bologneser Seide auf einem großen Wagen dorthin transportieren lassen. Ich sage Euch, Herrin, das ist ein Wink des Schicksals, ein Wink Allahs.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wir werden freie Fahrt durch das Stadttor haben. Ich war schon bei dem Gefährt und habe festgestellt, dass seine Bewacher genau so große Schnapsdrosseln sind wie ihre Kumpane in der Trattoria. Jedenfalls schnarchten sie miteinander um die Wette, was nichts anderes bedeutet, als dass wir ohne Schwierigkeiten unter die Stoffballen kriechen und uns morgen früh aus der Stadt kutschieren lassen können.«
    »Das ist mir zu gefährlich, Latif!«
    »In diesen Zeiten ist alles gefährlich, Herrin. Es kommt darauf an, den sichersten Weg zu finden. Dieser ist es, glaubt mir.«
    Ich glaubte ihm, ließ es mir aber nicht nehmen, schnell noch ein Stoßgebet

Weitere Kostenlose Bücher