Die Medica von Bologna / Roman
willst du wissen, dass sie heil rauskommt aus dem Schlamassel, aber du bist wiedergekommen, oj, oj, was für ein Glück.«
Erneut fing ich an, meine Geschichte zu erzählen, und diesmal wurde ich nicht mehr unterbrochen.
Ich schilderte alles haarklein, besonders meine Errettung durch Pater Edoardo, die mir noch immer wie ein Wunder erschien. Am Ende sagte ich: »Vielleicht musste es einmal so kommen, dass mich irgendjemand bei der Inquisition denunziert, aber ich habe keine Vorstellung, wer es gewesen sein könnte. Aus unserem Kreis jedenfalls war es niemand, das steht für mich fest.«
Alle nickten einträchtig bei meinen Worten, und Conor sagte: »Keiner von uns hat dich verraten, Carla, das stimmt. Wenn’s so wär, hätten wir ihn längst verbannt. Aber es war keiner von uns, und als König freut mich das.«
Fabio fügte hinzu. »Wir wissen nicht nur, dass es keiner von uns war, wir wissen sogar, wer es gewesen ist.«
»Wer?«, fragte ich. »Wer kann so niederträchtig gewesen sein?«
Fabio grinste. »Die Frage hat uns einiges Kopfzerbrechen bereitet. Um nicht zu sagen: Kopfschmerzen. Unerträgliche, linksseitige Kopfschmerzen!«
»Du meinst doch nicht etwa …?«
»Doch, genau die meine ich. Es war die angebliche Bettlerin Constanzia, die sich in unsere Reihen geschlichen hatte. Sie hat dich – und uns – nach Strich und Faden belogen. Das Einzige, was von ihrem Lügengebäude stimmt, ist, dass sie aus der Gemeinde San Vitale stammt. Wir haben herausgefunden, dass ihr richtiger Name Chloridia Pinerolo ist. Sie ist die Frau eines reichen Grundstückhändlers, der sein Haus bezeichnenderweise genau neben dem Anwesen eines Dominikaner-Priesters hat. Der Name des Priesters ist Helvetico.«
»Also doch!«, rief ich. »Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann ist es dieser ›Zufall‹. Helvetico steckt dahinter, ich war mir nahezu sicher. Mir läuft ein Schauer den Rücken hinunter. Ich muss mich erst wieder fassen.«
»Ja, Carla«, sagte Conor, »das ging uns allen so. Lasst uns darauf trinken, dass du wieder heil in unserer Mitte bist.«
»Salute!«
Wir tranken alle. Nachdem wir unsere Becher abgesetzt hatten, ließ Conor sie erneut füllen und fuhr fort: »Nun lasst uns auf unsere letzte Nacht in der Casa Rifugio trinken.«
Auch das taten wir, und ich fragte verwundert: »Warum trinken wir auf unsere letzte Nacht hier? War das ein Scherz?«
Fabio antwortete: »Ich wünschte, es wäre so. Aber es ist die traurige Wahrheit. Wir alle sind zwar nicht so unmittelbar bedroht wie du, Carla, aber Helvetico und seine Gleichgesinnten, allen voran Girolamo Menghi, werden nicht eher ruhen, bis sie deiner habhaft geworden sind. Sie würden – sehr zu Recht – immer wieder hier herumschnüffeln. Wir anderen hätten keine ruhige Minute mehr und stünden ständig mit einem Bein im Kerker, denn nicht alles, was du hier siehst, ist erbettelt, manches ist uns auch, äh, zugeflogen.«
»Ja«, sagte ich, »ich verstehe.« Ich dachte an das herrliche Operationsbesteck aus dem Ospedale della Vita. »Aber wie soll es weitergehen?«
Conor sagte: »Es ist eingetreten, was irgendwann sowieso eingetreten wär. Wir werden zwei oder drei Monate in Hauseingängen oder unter Brücken schlafen, vielleicht auch im Bett des Waldes, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Das ist nicht schlimm, wir haben ja Sommer. Und wir haben’s auch schon ein paarmal gemacht, wenn die Greifer der Stadt uns zu dicht auf den Fersen waren. Danach ziehen wir in ein neues Haus. Diesmal liegt es an einem versteckten Ort im Norden der Stadt, und nur ich weiß genau, wo. Die anderen werden’s noch früh genug erfahren. Bis dahin soll sich keiner verplappern.«
»Aber wo soll ich hin?«, fragte ich, während ich versuchte, die aufkommende Panik in mir zu unterdrücken. »Was soll aus mir werden? Braucht ihr denn keine Ärztin mehr?«
»Mehr denn je, das weißt du«, sagte Fabio.
»Oj, oj, Carla«, fiel Itzik ein. »Seit Helvetico und seine Mischpoke wissen, dass du hier gedoktert hast, sitzen wir auf dem Pulverfass. Wenn er’s geklärt hat, dass Pater Edoardo dich laufenließ, nützt uns der innigste
majrew
nix mehr.« Er faltete die Hände und blickte gen Himmel, damit ich verstand, dass er von seinem Abendgebet sprach. »
Halewáj,
dass es nicht so kommt! Und wenn, dann gute Nacht.«
»Ich weiß nicht, ob es eine gute Nacht wird«, sagte ich verzagt. »Ich weiß nicht, ob ich schlafen kann nach alledem. Und dann ist da etwas,
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