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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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da, aber wenn es um sein Essen ging, reagierte Latif stets sehr eigen.
    »Bleib doch hier!«, rief ich, aber es war schon zu spät. Der Hund und Latif liefen in einer Staubwolke davon. Ich schüttelte den Kopf und aß weiter. Es gab Eigenarten an Latif, die ich nie verstehen würde. Wir waren uns noch immer in gewisser Weise fremd, was ich aber in mancherlei Hinsicht begrüßte. Ich legte Wert darauf, meinen eigenen Schlafplatz zu haben, meine eigenen Gebete zu verrichten und mich unbeobachtet waschen zu können – ebenso wie Latif darauf bestand, fünfmal am Tag seinen Gebetsteppich auszurollen und ungestört mit Allah Zwiesprache zu halten.
    Ich schluckte das letzte Stück Käse hinunter und spülte mit einem Schluck Wasser nach. Seit Latif die Verfolgung des Hundes aufgenommen hatte, war einige Zeit vergangen. Wo er nur blieb? Ich erhob mich, spähte nach allen Seiten, doch ich sah nur unbekannte Gesichter. Achselzuckend begann ich, unsere Sachen zusammenzupacken, und als ich damit fertig war, hielt ich nochmals nach ihm Ausschau. Latif blieb verschwunden. Wieder verstrich einige Zeit. Ich wurde immer unruhiger und wollte schon die Marktstände abschreiten und die Händler nach einem großen, schwergewichtigen Mann fragen, als er endlich zurückkam – ohne den stibitzten Bissen. Er schnaufte und war sichtlich außer Fassung. »Verzeiht mir, Herrin, ich bin ein törichter Mann, der sein Gehirn in den Beinen hat.«
    »Was ist passiert? Du lässt mich hier wegen eines Stückchens Brot warten, und ich mache mir die größten Sorgen!«
    »Wir sollten diesen Flecken schnell verlassen, Herrin.« Latif raffte sein Bündel an sich und führte mich auf dem kürzesten Weg aus der Stadt. Erst als wir einige Meilen zurückgelegt hatten, begann er zu sprechen. »Niemals in meinem Leben will ich wieder einen Hund verfolgen, Herrin! Aber ich konnte ja nicht ahnen, was aus der Sache werden würde.« Ein Felsen tauchte am Wegrand auf. Schwer atmend ließ er sich darauf nieder und bedeutete mir, ich solle mich neben ihn setzen.
    »Ich möchte lieber stehen«, sagte ich.
    »Nun gut, Herrin, wie Ihr wollt. Es war so, dass der alte Köter es darauf angelegt zu haben schien, mich an der Nase herumzuführen, denn immer wenn ich glaubte, ich könnte ihn packen, schlug er einen Haken und lief in eine andere Richtung. Auf diese Weise gelangte ich, ohne es zu merken, zum Pfarrhaus neben der Dorfkirche. Der Hund sprang mit meinem Brot hinein und war verschwunden. Dafür trat ein Mann heraus. Er war schwarz gekleidet und blickte überaus streng, um nicht zu sagen, tückisch. Es war der Dorfpfarrer. ›Ich sehe, du bist fremd hier, mein Sohn‹, sagte er zu mir. ›Wer bist du, und woher kommst du?‹
    Nun, wie Ihr vielleicht wisst, Herrin, fehlen mir selten die richtigen Worte, aber diesmal war es so. ›Der Hund hat mein Brot gestohlen‹, brachte ich schließlich hervor.
    ›Der Hund ist mein Hund‹, sagte der Pfarrer. ›Er hatte, wie du richtig sagst, ein Stück Brot im Maul. Er mag Brot. Du jedoch magst dein Brot nicht teilen, wie unser Herr Jesus es uns vormachte. Teile dein Brot mit den Hungrigen, so heißt es schon bei Tobias! Wer bist du, und woher kommst du, dass deine Rede so hartherzig wie die eines Pharisäers ist?‹
    ›Ich heiße Latif‹, sagte ich, und im selben Moment merkte ich, dass ich damit einen Fehler begangen hatte, denn die Reaktion kam prompt. ›Latif‹, fragte der Pfarrer, ›was ist das für ein seltsamer Name? Ist das überhaupt ein christlicher Name?‹
    ›Ich will nur mein Brot zurück‹, sagte ich. ›Da, wo ich herkomme, nennt man das, was Euer Hund getan hat, Diebstahl.‹
    ›Jetzt dämmert mir, dass dein Name ein muselmanischer ist!‹, rief der Pfarrer, ohne auf meinen Vorwurf einzugehen. Er breitete die Arme aus und starrte mich an. ›Weh dir, du Ungläubiger! Du bist kein Christensohn! Was hast du in diesem gesegneten Land zu suchen? Was treibst du hier überhaupt? Stehe mir Rede und Antwort, sonst hole ich den Büttel.‹
    Seine letzten Worte aber hörte ich kaum noch, denn ich lief, so schnell ich konnte, davon.«
    Latif blickte mich anklagend an. »Was ist das für ein seltsames Land, in dem ein Ungläubiger einen Gläubigen wie mich als ungläubig bezeichnen kann? In dem ein Tier Besitz haben darf, der ihm nicht gehört? Es hätte nicht viel gefehlt, und der verrückte Pfarrer hätte mich, den Bestohlenen, noch des Diebstahls bezichtigt.«
    Ich ging nicht auf Latifs Gejammer ein, sondern

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