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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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über das wir noch nicht gesprochen haben. Was ist mit Latif? Ich mache mir so große Sorgen um ihn. Habt ihr nicht irgendeine Information, wie es ihm geht? Fabio, du hast neulich gesagt, du und deine Freunde, ihr würdet die Flöhe an der Wand husten hören.«
    »So, habe ich das?« Fabio grinste, und in sein Grinsen fielen nacheinander alle anderen ein. Sie schwiegen bedeutungsvoll, und nur Itzik machte: »Oj, oj«, und blickte zu der unsichtbaren Tür hinter dem Bestecktisch. Die Tür ging langsam auf, und eine große, mächtige Gestalt erschien, die über das ganze Gesicht strahlte.
    Es war Latif.

Der Wanderstab
    Il bordone
    ch kann einfach nicht glauben, was meine Augen sehen«, sagte ich überwältigt. »Bist du es wirklich, Latif?«
    »Ich bin es, Herrin. Wenn Ihr mir nicht glaubt, fragt ruhig die anderen, die wollten ihren Augen auch nicht trauen.«
    »Aber … aber ich denke, du bist im Kerker?«
    »Da war ich auch, Herrin, aber nur für ein paar Stunden, dann mussten die Halunken mich laufenlassen.« Latif setzte sich zu mir und strahlte mich mit seinen Kulleraugen an.
    Conor grinste. »Wenn ich’s richtig sehe, ist es das erste Mal, dass jemand diesen Hunden entkommen ist. Latif hat sich sehr klug angestellt.«
    »Sehr klug?«, fragte ich. »Wie denn?«
    »Indem ich den Verrückten spielte, Herrin.«
    »Wie bitte?«
    »Ihr habt richtig gehört. Ich dachte mir, wer schwachsinnig ist, dem kann nicht vorgeworfen werden, dass er einer Ketzerin dient. Sein Geist ist ja verwirrt. Das Einzige, was Schwachsinnigen passieren kann, ist, dass man versucht, ihnen den Narrenstein aus dem Hirn zu operieren. Diese Gefahr allerdings schien mir im Kerker nicht allzu groß. Jedenfalls kam gleich zu Anfang der Protokollführer des Gerichts und wollte eine Menge von mir wissen. Wie alt ich sei, woher ich käme, wie lange ich schon in Euren Diensten stünde und so fort. Auf jede seiner blöden Fragen fand ich eine noch blödere Antwort.«
    Latif hielt inne und grinste. »Jetzt denkt Ihr gewiss, das dürfte mir nicht schwergefallen sein, oder? Aber Spaß beiseite. So einfach, wie ich es erzähle, war es nicht, denn dieser Schreiberling wurde irgendwann richtig wütend und ließ mich in eine Zelle werfen, in der ich, wie er meinte, bestimmt zur Vernunft käme. Mehrere Stunden ließ er mich dort in stockdunkler Finsternis bei Wasser und Brot schmoren, aber als er in Begleitung eines Wächters wieder auftauchte, erlebte er eine Überraschung, denn ich gebärdete mich wie ein wild gewordener Derwisch. Ich hüpfte durch die Zelle und trommelte mit den Fäusten auf meiner Brust herum. Seltsam hohle Klänge entstanden, denen ich dämlich grinsend mit schiefgelegtem Kopf lauschte. Dann sprang ich abermals herum, fletschte die Zähne und stieß markerschütternde Schreie aus. Der Wächter rief: ›Der Kerl ist verrückt, der springt hier rum wie ein Affe!‹
    ›Ach was, der tut nur so‹, erwiderte der Schreiberling und versetzte mir einen Fußtritt. ›Wenn er ein Affe wäre, würde er mich jetzt angreifen.‹ Doch kaum hatte er mich getreten, sprang ich tatsächlich auf ihn zu, brachte ihn zu Fall und stieß drohend die fremdartigsten Laute aus:
›Salam alaikum, as-Salama, as-Salamu alaikum, salam alaikum, as-Salama, as-Salamu alaikum!‹
    Das Komische an der Sache ist, dass diese Laute in Wahrheit eine sehr höfliche, sehr förmliche Begrüßungsfloskel auf Arabisch darstellen, die ich, des besseren Effekts wegen, gleich doppelt ausstieß. Aber das wussten weder der Schreiberling noch der Wächter. Wie alle Menschen schlichten Geistes empfanden sie eine natürliche Scheu vor allem Unerklärlichen. Also ließ ich weiter arabische Sätze aus mir hervorsprudeln, gutturale, scheinbar sinnlose Laute, die jedoch alle von ausgesuchter Höflichkeit waren. Ich sagte ihnen, dass es mir eine außerordentliche Ehre sei, in ihrem Haus weilen zu dürfen, und heulte dazu wie ein Wolf im Mondschein. Ich sagte, dass ich selten so üppig gespeist hätte, und rülpste dazu donnernd, ich sagte, ich hätte noch niemals so großzügige Gastgeber erlebt, und schaute durch sie hindurch, als wären sie Glas. Ich sagte noch vieles mehr, und dazu hüpfte und heulte und rülpste und trommelte ich, bis sie so sehr verwirrt waren, dass ich ihre Köpfe packen und zusammenschlagen konnte. Dann machte ich, dass ich davonkam, denn mir war klar, dass ich einfachen Schreiberlingen und Kerkerwächtern etwas vorgaukeln konnte, nicht aber einem hartleibigen

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