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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vier Meilen von hier. In der Hütte fand sich nichts Besonderes, nur eine alte, verbogene Pflugschar. Er hat sie mitgebracht, mühsam entrostet, gerichtet und liebevoll an einem Stein geschärft. Nun will er einen Pflug bauen und eine der Wiesen zum Feld machen.«
    »Maria, ich staune! Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nie gedacht, dass ihr beide es schafft, euch hier oben zu behaupten. Aber das Meinige will ich gern dazu beitragen. Verlass dich auf mich.«
    So kam es, dass Latif und ich bald darauf unsere erste Furche durch die Gräser zogen. Er hatte sich vor den Pflug gespannt, und ich ging hinter ihm her und drückte die Pflugschar ins Erdreich. Es war eine mühselige Arbeit, doch mit einer Zähigkeit, die ich ihm nie zugetraut hätte, schritt Latif vorwärts und beackerte das Feld.
    Am Abend waren wir beide sehr müde, aber auch sehr glücklich. »Die Linse ist eine einjährige Pflanze, Herrin«, sagte er. »Ich kenne sie aus meinem Heimatland, wo sie sehr verbreitet ist. Als ich hörte, dass die Bauern hier im Hochland ebenfalls Linsen anbauen, beschloss ich, es ihnen nachzumachen. Wir werden, mit Allahs Hilfe, im Herbst köstliche Linsengerichte essen können. Darauf freue ich mich.«
    Ich legte etwas Holz auf das Feuer und rührte die Suppe vom Morgen um. Es war eine Kräutersuppe, die ich mit Pilzen angereichert hatte.
    Nachdem ich Latif eine Schüssel davon gegeben hatte, sagte ich: »Unser Leben hier oben wird mit jedem Monat besser, und mit jedem Monat fühle ich mich auch sicherer. Ich würde gern noch bleiben. Wir haben im letzten Jahr besprochen, dass wir zunächst nur den Winter überstehen wollen und danach weitersehen, was aus uns wird. Wenn du sagst, du freust dich auf die Linsengerichte im Herbst, heißt das, du willst genau wie ich …?«
    Latif lächelte. »Ihr seid eine gute Köchin, Herrin. Ich möchte für immer Eure Suppe essen.«
     
    Der zweite Winter traf uns besser vorbereitet, doch er war noch immer äußerst hart. Im darauffolgenden Jahr lief uns ein Bock zu und sorgte dafür, dass unsere kleine Ziegenherde größer wurde. Wir hatten mehr Milch, als wir trinken konnten, und ich begann, Ziegenkäse herzustellen, was mir anfangs gründlich misslang, weil mir Zutaten fehlten und ich nichts von Säuerung und Milchkulturen verstand. Mit der Zeit jedoch wurde ich erfahrener, und irgendwann war es so weit, dass Latif und ich unseren ersten Käse essen konnten. Er schmeckte noch etwas fad, weil ihm das Salz fehlte, ebenso wie die längere Lagerung, aber er war selbstgemacht, und das wog vieles auf.
    Im Herbst war es, als Latif eines Morgens in seiner Höhle blieb. Da wir häufig nur die Mahlzeiten zusammen einnahmen, ansonsten aber unserem eigenen Tagewerk nachgingen, vermisste ich ihn erst gegen Mittag. Ich schaute in seiner Höhle nach und sah ihn auf seinem riesigen Bett liegen. »Was ist mit dir?«, fragte ich.
    »Nichts, Herrin. Ich war nur etwas müde und habe deshalb länger geschlafen. Ich komme gleich.«
    Ich weiß nicht, was es war, aber etwas in seiner Stimme machte mich stutzig. Ich trat nahe an sein Bett und erkannte, dass sein Gesicht fieberheiß war. »Lass mich mal sehen.« Ich legte ihm die Hand auf die Stirn und erschrak. Latif glühte. »Du bist krank«, sagte ich. »Du musst liegen bleiben, das Fieber ist zu hoch. Es muss runter, wenigstens ein bisschen. Ich werde dir Wadenwickel machen.«
    In regelmäßigen Abständen schlug ich ihm kalte Tücher um die Waden und benetzte seine Stirn mit kühlendem Wasser. Das Fieber wich vorübergehend, und ich nutzte die Besserung, um ihn eingehend nach der Entstehung und den Begleiterscheinungen seines Fiebers zu befragen. Aber ich fand die Ursache nicht heraus. Am meisten Sorge hatte ich wegen des Abends, denn das ist die Zeit, in der die Hitze besonders stark im kranken Körper wütet. Ich sagte deshalb zu Latif, ich müsse für eine Weile fort, und verließ seine Höhle. Ich wollte mich auf die Suche nach Enzian machen, denn seit alters dient diese Bergpflanze nicht nur zur Herstellung von Schnäpsen, sondern auch zur Fiebersenkung.
    Durch die Arzneiherstellung hatte ich ein geschultes Auge für die Pflanzenwelt der Berge erworben, aber es nützte mir in diesem Fall nichts. Ich fand keinen Enzian. Ich ging weiter und weiter und rief mir mein gesamtes Kräuterwissen ins Gedächtnis. Ich wusste, dass viele Gewächse in dem Ruf standen, Fieber senken zu können, wie Holunder, Himbeere, Brunnenkresse, Esche, Linde, Minze oder Thymian,

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