Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
aber nichts von alledem fand ich bei meiner Suche. Ich wollte meine Bemühungen schon abbrechen, als mir plötzlich Tasco über den Weg lief. »Das ist aber ein Zufall, Maria!«, rief er. »Wir sind doch nicht verabredet, oder?«
    »Nein«, antwortete ich und erklärte ihm, warum ich unterwegs war. »Leider habe ich kein Finderglück«, schloss ich. »Nicht auszudenken, wenn Latif sterben würde.«
    »Das sind in der Tat schlechte Nachrichten«, sagte Tasco kummervoll. »Ich habe, wie du weißt, tausenderlei auf meinem Wagen, aber ein fiebersenkendes Mittel ist nicht darunter. Vielleicht liegt es daran, dass meine Kundschaft so etwas nicht verlangt.«
    »Aber was nehmen die Bauersfrauen denn? Sie werden doch nicht tatenlos zusehen, wenn jemand aus ihrer Familie hohes Fieber hat?«
    Tasco kratzte sich die unrasierte Wange. »Tja, sie nehmen Enzian, genau, wie du es vorhast.«
    »Und wenn sie keinen Enzian haben?«
    »Lass mich nachdenken. Ich glaube, sie machen Packungen aus Quark oder Weichkäse und legen sie auf die Stirn.«
    »Packungen aus Quark oder Weichkäse?«, rief ich. »Oh, Tasco, ich danke dir, ich danke dir!«
    Verwundert blickte er mir nach, als ich in Windeseile davonlief.
     
    Ich bin nicht sicher, ob es wirklich an den Packungen aus Ziegenkäse lag, die ich noch am gleichen Abend und auch an den folgenden Tagen zur Anwendung brachte, in jedem Fall erholte Latif sich langsam, und eines Morgens blickte er mich aus klaren Augen an.
    »Herrin«, sagte er, »Allah hat entschieden, dass ich Euch auf Erden noch ein wenig Gesellschaft leisten soll. Ich bin wieder gesund.«
    Tränen der Freude traten mir in die Augen, und ich antwortete: »Ob du ausschließlich Allah deine Genesung zu verdanken hast, bezweifle ich, denn einen kleinen Beitrag dazu habe auch ich geleistet.«
    »Nein, Herrin, es war Allah, der Weltenlenker, der Weltenkluge, er führte dir die Hand. Ohne seinen Willen geschieht nichts.«
    »Deine Rechthaberei zeigt mir, dass es dir wirklich bessergeht«, sagte ich froh. »Ich werde dir eine stärkende Suppe bringen. Dazu gibt es einen Fladen Brot.«
    »Brot, Herrin?«
    »Tasco hat mir einen Sack Dinkelmehl gegen ein paar Kräuterarzneien überlassen. Er verkauft sie für mich und nimmt sich seinen Anteil. Er sagt, hier in den Bergen sind besonders Mittel gegen Entzündungen der Augen, der Blase und der Gelenke vonnöten. Das Brot jedenfalls ist ein erster Versuch, die Vielfalt unserer Speisen zu vergrößern. Ich hoffe, es wird dir schmecken.«
    »Gewiss, Herrin, gewiss.«
     
    Wieder folgte ein Winter. Wir hatten mit ausreichend Holz, Samen und Früchten vorgesorgt und blickten den kalten Tagen gefasst entgegen. Auch deshalb, weil ich für Latif und mich feste, warme Winterkleidung aus Stoffen und Fellen genäht hatte. Die Ergebnisse meiner Bemühungen hätten den Ansprüchen der Mode in Paris und Rom ganz sicher nicht genügt, aber für uns erfüllten sie ihren Zweck. Beim Maßnehmen der Kleider bestätigte sich etwas, das ich zuvor schon einige Male vermutet hatte: Latif war schlanker geworden. Die Arbeit mit dem Pflug, der Aufenthalt im Freien und die frische Luft – all das hatte ihm einen Teil seines Leibesumfangs genommen. Er selbst zeigte sich darüber nicht besonders glücklich, aber ich sagte ihm, dass ein schlanker Körper widerstandsfähiger ist als ein korpulenter, und damit gab er sich zufrieden.
    Im Frühling des Jahres 1587, als das Weiß auf den Bergen von keimendem Grün und bunter Blütenpracht abgelöst wurde, dachte ich zum ersten Mal öfter an meine Vaterstadt Bologna: an die seidige Luft im Mai, die Ausgelassenheit der Bürger, die rauschenden Feste. Ich dachte an meine Mutter und an Marco und an meinen kleinen Giancarlo, den Gott mir genommen hatte. Ich dachte sogar an Gaspare Tagliacozzi und an unsere ersten Begegnungen, die mir zweifellos die glücklichsten, aufregendsten Momente meines Lebens beschert hatten. Wehmut überkam mich. Ich lag in meiner Höhle und starrte die Felswände an, aber was ich sah, war mein Zuhause, waren die Freskenmalereien an der Decke meines Zimmers. Ich sah Adam, Eva, die Schlange und den Apfel. Ich dachte an meine Fieberschübe und an Doktor Valerini und sein
vesicatorium,
das die Hitze aus meinem Körper ziehen sollte. Ich sah, wie die Schlange verschwand und als Biene wiederkam. Die Biene summte, während sie mit großer Geschwindigkeit den Apfel umflog, als suche sie den Eingang zum Gehäuse. Ich dachte an Pater Edoardo und an seinen

Weitere Kostenlose Bücher