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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Spaltbreit. Draußen stand ein Mann in der Uniform der Stadtwache und sagte: »Seid Ihr Carla Maria Castagnolo?«
    »Ja, die bin ich.«
    »Nun, wir haben Eure Mutter bei uns, sie ist dahinten auf dem Wagen …«
    »Ja?«
    »Sie ist, nun, sie ist verunglückt.«
    »Jesus Maria!« Ich war so erschrocken, dass ich fast die Tür geöffnet und mein Gesicht preisgegeben hätte. »Ist sie …?«
    »Nein, sie lebt. Sie hat Quetschungen und Schnittverletzungen im Gesicht. Wir wollten sie ins Ospedale della Morte fahren, weil es gleich an der Universität liegt und dort die besten Ärzte arbeiten, aber sie bestand darauf, nach Hause gebracht zu werden.«
    »Ja, äh, ja, natürlich«, sagte ich. Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter, denn Ospedale della Morte bedeutet »Hospital des Todes«, ein Verderben bringender Name für ein Krankenhaus. Ich nahm mich zusammen. »Bringt sie herein und legt sie auf das Bett in dem Zimmer gleich links. Ich, äh, ich hole rasch Salbe und Verbandszeug. Wartet nicht auf mich. Legt sie einfach ab. Ich danke Euch.«
    Ich eilte in die Küche, wo ich hastig unsere armseligen Arzneivorräte durchstöberte, fand tatsächlich eine Salbe mit den Wirkstoffen des Zinnkrauts und ein paar Leinenstreifen und lief zurück. Ich sah, wie die Soldaten meine Mutter auf mein Bett legten und den Weidenkorb zu ihren Füßen absetzten. Der Korb war noch abgedeckt. Das Kleid für die alte Signora Ghisilieri lag noch darin. Ich war kurz davor, alle reichen alten Frauen und ihre Empfänge und Feste zu verfluchen.
    Wie schwer meine Mutter verletzt war, sah ich erst, als ich näher herantrat. Ihr hochkrempiges Barett, das sie statt des Perlen-Haarnetzes im Winter trug, war fort, ihre ergrauenden Haare waren blutig. Auch ihr Gesicht war voller Blut. »Mamma, Mamma, was hast du nur gemacht!«
    »Es … es ist nicht so schlimm, meine Kleine.« Langsam hob meine Mutter den Blick und sah mich an. Sie versuchte ein Lächeln. »Das kommt davon, wenn man nicht auf seine Tochter hört.«
    »So etwas darfst du nicht sagen, Mamma. Warte, ich hole dir ein Glas Wein.« Ich stürzte in die Küche, wo der Krug mit dem von Pater Edoardo gesegneten Lambrusco stand. Für einen Augenblick zögerte ich, ihn zu nehmen, aber dann tat ich es doch und eilte damit zurück. »Ein Glas Wein wird dir guttun, Mamma.« Ich goss es ein und reichte es ihr vorsichtig.
    Sie versuchte das Glas zu nehmen, aber sie war zu kraftlos. Ich setzte mich zu ihr, legte ihren blutigen Kopf in meine Armbeuge und flößte ihr einige Schlucke ein.
    »Danke … meine Kleine.«
    »Hast du große Schmerzen?«
    »Nur ein wenig Kopfdröhnen.«
    »Ich hole ein kaltes Tuch.« Ich faltete ein sauberes Tuch zusammen, tauchte es in eiskaltes Wasser und wrang es aus. »Ich lege es dir unter den Nacken, hoffentlich hilft es.«
    »Ja, ja …«
    Ich begann, das Gesicht meiner Mutter mit Wasser und Tupfern zu säubern, und musste an mich halten, um ruhig zu bleiben. Die Schnittwunden und Quetschungen, die dabei in ihrem ganzen Ausmaß zu Tage traten, sahen wirklich zum Fürchten aus. Unnütze Gedanken schossen mir durch den Kopf, Gedanken darüber, wie lange der Heilprozess wohl dauern würde und ob Narben zurückblieben. Ich legte Kompressen auf die Wunden und verband sie mit Leinenstreifen, so gut ich konnte. »Mamma, wie ist das nur passiert?«
    »Ach, Kind …«
    »Wenn du nicht sprechen magst, lass es nur.«
    »Doch, doch …« Trotz ihres elenden Zustands begann sie den Unfall zu beschreiben. Sie tat es stockend, mit kleiner Stimme, denn sie war sehr schwach. Manchmal brach sie ihren Bericht ab, doch immer wieder sprach sie weiter, bis sie sich schließlich alles von der Seele geredet hatte. Ihren Worten nach hatte sie die Strada San Felice in Richtung Piazza Maggiore genommen und den großen Platz schon fast erreicht, als plötzlich von links aus der Via del’ Poggiale eine Pferdekutsche mit halsbrecherischer Geschwindigkeit herangefahren kam. Sie hatte die Straße bereits halb überquert und noch ausweichen wollen, doch die Pflastersteine waren überfroren und sehr glatt gewesen. Sie war ins Straucheln geraten, hatte sich nicht mehr fangen können und war mit dem Kopf gegen die scharfkantige Laterne der vorbeirasenden Kutsche geschlagen. Nach einigen Minuten der Ohnmacht war sie wieder zu sich gekommen, und hilfreiche Bürger hatten die Stadtwache mit dem Transportwagen geholt. Das war alles, was sie wusste.
    »Und was ist mit der Kutsche, Mamma?«
    »Die war

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