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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gehört.«
    »So kann doch kein Muskel heißen.«
    »Und warum nicht?« Marco wirkte leicht befremdet. »Ich sprach vom
Musculus coracobrachialis,
dem Rabenschnabeloberarmmuskel, den es tatsächlich gibt. Du hast ihn, ich habe ihn. Jeder Mensch hat ihn.«
    »Entschuldige.«
    »Vielleicht sollte ich dich nicht mehr mit Rabenschnäbeln langweilen.« Marcos Arm glitt um meine Taille und drückte sie bedeutungsvoll. »Vielleicht sollte ich dir etwas von Krebsscheren erzählen.«
    »Krebsscheren? Ist das auch wieder so ein Muskel?«
    »Nein.« Er lachte. »Es ist sind einige der vielen Exponate, die Professor Aldrovandi in seinem Haus hortet.«
    »Aldrovandi, ist das der …?«
    »Richtig, der mit dem Kräutergarten im Palazzo Publico.«
    »Ach ja.«
    »Aldrovandi ist ein eifriger Sammler von Exponaten aller Art. Er sammelt nicht nur so skurrile Dinge wie Krebsscheren, Kugelfische, kindskopfgroße Seeigel und Walknochen, sondern auch Echsen, Krokodile und Straußeneier, dazu Hunderte von Holzschnitten, die für den Druck seiner großen Kräutersammlung angefertigt wurden, Schildkrötenpanzer, die so groß wie ein Pferdesattel sind, Geweihe und Gehörne.«
    »Und wozu das alles?«
    »Er ist eben neugierig. Neugier und Unvoreingenommenheit sind die Triebfedern für allen Fortschritt in der Wissenschaft.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Ja, das hat er.« Marcos Hand begann mein Mieder hinaufzuwandern, und ich ließ es zu. Ich konnte es ihm nicht immer verbieten. Außerdem rückte der Termin unserer Hochzeit näher. »Er sammelt auch verschiedene Arten von Testikelpaaren, darunter Stierhoden.«
    »Marco, bitte.« Ich fand, jetzt gingen seine Ausführungen zu weit.
    Er lachte. »Sie sind dergestalt präpariert, dass sie an einer Waage aufgehängt präsentiert werden.«
    Ich schob seine Hand fort.
    »Er besitzt auch die Riesennüsse einer Palme, deren sanfte Rundungen an die Gesäßform einer Frau erinnern, und Fossilien von ähnlich aufreizender Gestalt.«
    Ich dachte an meine Mutter, die in ihrem Werkstattzimmer nähte und womöglich alles mitbekam. »Marco …!«
    »Schon gut, ich höre auf. Aber zurück zu Professor Aranzio. Eines an ihm wird dich bestimmt interessieren: Er hat wirklich gesegnete Hände. Es gibt nichts in der Chirurgie, was er nicht gemacht hätte. Er hat sogar schon plastische Nasenverbesserungen vorgenommen und Operationen im Gesicht durchgeführt.«
    »Oh … weißt du darüber mehr?«
    »Leider nicht.« Marco blickte mich an. »Aber ich will mich gern erkundigen.«
     
    »Geh lieber nicht vor die Tür, Mamma«, sagte ich an einem der nächsten Tage zu meiner Mutter, »es hat wieder geschneit.«
    »Vielleicht sollte ich tatsächlich zu Hause bleiben, meine Kleine«, antwortete sie, »aber ich kann es mir nicht aussuchen. Die alte Signora Ghisilieri gibt heute Abend einen Empfang in ihrem Palazzo, und dafür braucht sie unbedingt das neue Kleid.«
    »Sie hat doch hundert andere.«
    »Das verstehst du nicht.« Meine Mutter nahm ihren Weidenkorb, legte das kostbare Gewand – einen Traum aus zitrusgelbem Moiré mit elfenbeinfarbenem Seidentaft – hinein und deckte es sorgfältig ab. »Ich bin spätestens gegen Mittag zurück.«
    Sie verschwand hinaus in die Kälte und ließ mich mit meiner Beschäftigung allein: Ich war dabei, meine wenigen Habseligkeiten für den Umzug in das Haus des Erbonkels zusammenzupacken. Neben Leibwäsche, einigen Hauskleidern und einer Aussteuer, die zum größten Teil aus Tischtüchern und Bettleinen bestand, gehörten einige Töpfe, Kellen und Pfannen dazu, außerdem meine Handwerksausrüstung mit Nadeln, Fäden und Scheren sowie ein paar Stoffballen und einer der beiden hölzernen Schneiderbüsten. Viel war es wirklich nicht, was ich besaß, und die wenigen Bücher, die ich ebenfalls mitnehmen wollte, würden den Umfang meiner Habe nicht sehr vergrößern. Ich war nie eine große Leserin gewesen, weniger aus Mangel an Interesse, sondern weil mir die Augen am Abend von der vielen Näharbeit stets weh taten. Mein liebstes Buch war
Divina Comedia
von Dante Alighieri. An dieser Geschichte faszinierte mich die von ihm beschriebene Reise von der Hölle ins Paradies.
    Und dann waren da noch meine Puppen. Ich stand vor ihnen und fragte mich, ob ich alle oder nur meine geliebte Bella mitnehmen solle, als es heftig an der Tür klopfte. Es war ein Klopfen, das fremd und bedrohlich wirkte. Ich wusste sofort, dass ich denjenigen, der vor der Tür stand, nicht kannte. Ich öffnete einen

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