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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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mit ihm hält bis in Ewigkeit, bis zum Jüngsten Gericht, bis zur Nacht ohne Morgen.« Wieder nickte die Oberin gütig. »Doch zurück in die Gegenwart. Marco Carducci sagte, du hättest gesegnete Hände. Nun, die Hände sehe ich, was ich nicht sehe, ist dein Gesicht. Würdest du bitte das Barett abnehmen?«
    »Jawohl, Ehrwürdige Mutter.« Ich zögerte.
    »Nimm es nur ab. Es schickt sich nicht, im Angesicht des Herrn eine modische Kopfbedeckung zu tragen.«
    Ich lüftete das Barett langsam und beobachtete das Gesicht der Oberin dabei genau. Doch keine Regung darin zeigte mir, ob mein Feuermal sie überraschte, entsetzte oder gar anwiderte – sie schaute mich genauso an wie zuvor. »Das wusste ich nicht«, sagte sie ruhig. »Ich wusste nicht, dass der Herr dir diese Last auferlegt hat, aber du wirst sie tragen müssen. Und dass du sie tragen kannst, dafür wird Er sorgen.«
    »Jawohl, Ehrwürdige Mutter.«
    »Warum möchtest du Hilfsschwester in unserem Hospital werden?«
    Ich hätte an dieser Stelle antworten können, wie sehr es mich danach drängte, anderen Menschen zu helfen, wie sehr ich wünschte, gottgefällige Taten zu vollbringen, wie sehr ich etwas für mein Seelenheil tun wollte, doch nichts von alledem hätte in vollem Umfang der Wahrheit entsprochen, deshalb sagte ich: »Ich muss Geld verdienen, da ich allein lebe. Meine Mutter verstarb vor kurzem.«
    »Oh, das tut mir sehr leid. Davon hat Marco Carducci mir nichts erzählt. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass er mir auch deinen Nachnamen nicht nannte. Wie lautet er?«
    »Castagnolo, Ehrwürdige Mutter.
    »Castagnolo … Castagnolo … der Name kommt mir bekannt vor.«
    »Meine Mutter war Schneiderin.«
    »Ach, ja, Schneiderin.« Die Oberin blickte mich an, als hätte sie meine letzte Erklärung nicht gehört. Sie schien in Gedanken weit entfernt. Dann nickte sie wieder in ihrer gütigen Art und sagte: »Armes Ding, ich werde für dich beten. Und für die Seele deiner Mutter auch.«
    »Danke, Ehrwürdige Mutter.« Dass die Oberin mich »armes Ding« genannt hatte, bezog ich auf mein Feuermal und auf den Schicksalsschlag durch den Tod meiner Mutter. Ich konnte nicht ahnen, dass der Grund für ihre Worte ein anderer war, ein Grund, den ich erst sehr viel später erfahren sollte.
    »Nun, ich denke, wir sollten es mit dir versuchen, Carla. Allerdings können wir dir für deine Arbeit wenig Entgelt bieten. Sagen wir, zehn Baiocchi am Tag, das wären rund drei Scudi pro Monat. Nicht sehr viel, aber dafür müsstest du auch nur vormittags im Hospital Dienst tun, der Nachmittag wäre frei für dich. Du könntest dich dann in deine Zelle zurückziehen oder dich allgemeiner Klosterarbeit widmen oder an den Stundengebeten teilnehmen.«
    »Verzeiht, aber ich würde gern weiter zu Hause wohnen.«
    »Zu Hause?«
    »Ja, Ehrwürdige Mutter, das Haus würde sonst leer stehen, und das wäre nicht gut.«
    »Nun, da hast du wohl recht. Ich bin einverstanden. Zwiesprache mit dem Herrn kann man schließlich an jedem Ort auf dieser Welt führen.«
    »Danke, Ehrwürdige Mutter.« Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die neue Umgebung war ungewohnt für mich, sie vierundzwanzig Stunden am Tag ertragen zu müssen, das wäre zu viel gewesen. »Vielen Dank.«
    »Schwester Abelina!« Die Oberin klingelte mit einem Glöckchen. Als die Hausmeisterin erschien, befahl sie: »Zeige Carla unser Hospital und weise sie in ihre Obliegenheiten ein. Ab morgen wird sie uns bei der Pflege der Kranken zur Hand gehen.«
    »Jawohl, Ehrwürdige Mutter.« Schwester Abelina verneigte sich in Demut und hieß mich, ihr zu folgen.
    So geschah es, dass ich Hilfsschwester im Nonnenkloster San Lorenzo wurde.
     
    Der Weg von meinem Haus in der Strada San Felice bis zum Kloster der frommen Schwestern führte mich durch die halbe Stadt. Es war ein langer Weg, der mir anfangs sehr schwerfiel. Doch mit der Zeit lernte ich, dass die Menschen auf der Straße anderes zu tun hatten, als mich anzustarren. Sie kümmerten sich um ihre eigenen Belange, solange ich nicht auffiel. Und dass ich nicht auffiel, dafür sorgte ich. Außer dem Barett mit dem Schleier kleidete ich mich so unauffällig wie möglich. Ich nähte mir Kleider von einfachem Schnitt, wie sie von Mägden und Marktfrauen getragen werden, und wählte dafür Stoffe mit gedeckten Farben. Während ich ging, blickte ich meistens zu Boden und wich nach Möglichkeit jedermann aus. Ich muss wie eine graue Maus gewirkt haben.
    Im Hospital angekommen, tauschte

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