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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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letztes Geld ausgegeben. Aber daran wollte ich nicht denken. Mit Gottes Hilfe würde sich alles finden. »Ich hoffe, der Kapaun wird dir schmecken«, sagte ich.
    »Und ob er das wird.« Marco begann, den knusprigen Vogel zu zerteilen, und legte die Stücke auf meinen und seinen Teller.
    »Es gibt Nüsse, Käse und Trockenfrüchte dazu.«
    »Prächtig, ich sehe es.«
    »Guten Appetit.«
    »Einen Augenblick.« Marco machte ein verschmitztes Gesicht. »Zweifellos werde ich einen guten Appetit haben, aber bei dir bin ich mir nicht so sicher. Du isst in letzter Zeit ziemlich schlecht.«
    Ich wollte protestieren, aber er sprach schon weiter: »Ich habe ein paar Neuigkeiten, die deinen Appetit anregen werden. Neuigkeiten, die du gleichzeitig als Geburtstagsgeschenk ansehen sollst.«
    »Da bin ich aber gespannt.«
    Doch Marco aß zunächst genüsslich weiter und ließ mich eine Weile schmoren.
    »Nun sag schon!«
    Endlich bequemte er sich, seine Geheimnisse zu lüften. »Als Erstes«, sagte er, »habe ich mit meiner Mutter gesprochen. Das war vor ein paar Tagen. Sie wiederum hat mit einigen ihrer unzähligen Freundinnen gesprochen, mit dem Ergebnis, dass die Damen sich einig sind, dir sämtliche Kleider aus dem Bestand deiner Mutter abzukaufen.«
    »Das ist ja großartig!« Ich sprang auf und fiel ihm um den Hals. Eben noch hatte ich mich gefragt, wovon ich in den nächsten Tagen leben sollte, und nun war eine Lösung gefunden.
    Marco tat, als seien ihm plötzlich Bedenken gekommen. »Oder hättest du die Kleider lieber selbst verkauft?«
    »Du Witzbold, wie hätte ich das tun können. Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?«
    Marco grinste. »Dich auf den Arm nehmen? Das wäre keine schlechte Idee, aber warte, bis ich aufgegessen habe.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Und bis ich dir das zweite Geschenk gemacht habe.«
    »Ein zweites Geschenk? Was ist es denn?«
    »Eine Neuigkeit.«
    Ich muss ihn wohl ziemlich begriffsstutzig angesehen haben, denn Marco begann lauthals zu lachen.
    »Nun sag es endlich, von was für einer Neuigkeit sprichst du?«
    »Kennst du Mutter Florienca?«
    »Du weißt, dass ich sie nicht kenne. Was ist mit ihr?«
    »Sie ist die Oberin der Schwestern von San Lorenzo. Ihr Kloster liegt im Südosten der Stadt, gegenüber dem Borgo da Larienta. Ich habe sie neulich im Ospedale della Morte kennengelernt. Sie ist eine warmherzige, weise Frau.«
    »Was ist mit ihr? Warum erzählst du mir das alles? Marco, spann mich nicht so auf die Folter.«
    »Tue ich das? Das wollte ich nicht.« Er grinste wieder in der Art, die ich meistens sehr nett fand, die mir manchmal jedoch auf die Nerven ging. »Also gut, ich will dich von deiner Neugier erlösen. Das Kloster San Lorenzo hat ein kleines Hospital, wie mir Mutter Florienca erzählte. Sie und ihre frommen Schwestern nehmen Kranke aus dem Viertel auf, manchmal sogar Patienten vom Ospedale della Morte, wenn es wieder mal überfüllt ist.«
    »Ja, und?«
    »Mutter Florienca könnte sich gut vorstellen, dich als Hilfsschwester zu beschäftigen. Du würdest dann im Hospital San Lorenzo arbeiten und kranken Menschen helfen.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Oh, doch, natürlich.«
    »Das kann ich nicht. Ich kenne die Mutter Oberin ja gar nicht, und die Schwestern, die kenne ich auch nicht. Ich kenne die Arbeit nicht und den Weg nicht, ich … ich …«
    »Das alles kannst du schnell lernen. Im Pflegen bist du eine Naturbegabung, das habe ich dir schon einmal gesagt. Ich glaube, du hast nur Angst, den Weg dorthin jeden Tag allein gehen zu müssen. Aber denk an dein schwarzes Samtbarett mit dem Schleier. Das andere ergibt sich.«
    »Nein!«
    »Du hättest eine Arbeit, ein eigenes Auskommen und tätest überdies ein gutes Werk. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?«
    »Nein.«
     
    Vier Tage später, es war Gründonnerstag, brachte Marco mich bis zum hohen Tor des Klosters von San Lorenzo. Er hatte den Tag mit Bedacht gewählt. Nicht, weil es der Gedenktag an das letzte Abendmahl Jesu am Vorabend seiner Kreuzigung war, sondern weil es, den Satzungen des Archiginnasios gemäß, am Donnerstag keine Vorlesungen gab. »Siehst du, der Weg hierher war ganz einfach, Carla«, sagte er. »Grüße Mutter Florienca von mir, sie ist wirklich sehr nett. Ich komme morgen zu dir, dann kannst du mir erzählen, ob dein Gespräch erfolgreich war.«
    »Bleib, bitte!«
    »Ich kann nicht, heute ist zwar der freie Tag für Studenten, doch das gilt nur, wenn keine von der

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