Die Medica von Bologna / Roman
Studenten: »Ihr habt gehört, was ich zu Messer de’ Bonfigli sagte. Ich werde den Stiellappen etwa anderthalb Zoll länger abschneiden, als die neue Nase sein soll. Auf diese Weise gewinne ich genügend Überstand, um später die Nasenlöcher formen zu können. Achtet jetzt genau auf das, was ich mache.«
Und dann ging alles sehr schnell. Doktor Tagliacozzi setzte das Skalpell an und tat einen Schnitt direkt am Oberarmansatz des Lappens. Die Verbindung zwischen Arm und Nase war getrennt. »Das war es schon, liebe
Studiosi.
Ich bitte, jetzt die Bandagen zu entfernen.«
Dies war der Zeitpunkt, an dem Marco und sein Kommilitone in Aktion traten. Sie schnitten die Bänder und Gurte auf, die de’ Bonfigli Halt gegeben hatten, wobei sie sich nicht sonderlich geschickt anstellten. Ihnen fehlte ganz offensichtlich die Übung, wie man sie bei der täglichen Arbeit in einem Hospital erwirbt.
Als de’ Bonfigli den Arm nach nahezu zwanzig Tagen, wie Doktor Tagliacozzi ausführte, zum ersten Mal wieder sinken lassen konnte, stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Grazie a Dio«,
sagte er mit heiserer Stimme und wollte den Lappen in seinem Gesicht betasten, wurde aber von Doktor Tagliacozzi daran gehindert. »Bitte nicht, Signore, wir wollen keine Zeit verlieren. Je schneller der Vierte Akt getan ist, desto schneller könnt Ihr Euch wieder wie ein normaler Mensch bewegen.«
Messer de’ Bonfigli nickte ergeben, und Doktor Tagliacozzi ließ sich von Marco ein Instrument anreichen, das wie eine kleine Feile aussah. »Ich habe hier ein Werkzeug, das ähnlich wie die
grattugia
wirkt, welche die Hausfrau zum Reiben eines Apfels verwendet«, erklärte er. »Es dient dazu, das Fleisch des Lappens unterseitig aufzufrischen, das heißt, ich rauhe es auf. Dasselbe mache ich mit dem Nasenstumpf, der später mit Hilfe des hervorstehenden Lappens zu einer perfekten Nase geformt werden soll. Messer de’ Bonfigli, das sei an dieser Stelle erwähnt, hat seine Nasenspitze bei einem Duell verloren, doch hatte er bei dem Kampf noch Glück im Unglück, denn das Nasenbein, der
Os nasale,
wurde dabei kaum verletzt. Kann mir jemand etwas über den
Os nasale
erzählen?« Tagliacozzi blickte auffordernd in die Runde, woraufhin sich ein jüngerer Student meldete: »Das ist ein paariger Knochen des Gesichtsschädels, Dottore.«
»Schön, ist das alles, was Ihr darüber wisst, Luca?«
Der mit Luca angesprochene Student dachte nach und sagte dann: »Der
Os nasale
bildet einen Teil des Nasendachs und somit der oberen Wand der Nasenhöhle.«
Doktor Tagliacozzi nickte zufrieden. Er hatte unterdessen mit geschickten Bewegungen den Lappen und den Nasenstumpf aufgefrischt, was dem Patienten keine großen Beschwerden zu bereiten schien. »Wir kommen jetzt zum Fünften Akt. Ich werde den vorstehenden Lappenstiel so an die Oberlippe drücken und an ihr vernähen, dass daraus später die Nasenlöcher und das
septum
gebildet werden können. Was ist ein
septum?«
Luca rief: »Eine Scheidewand, Dottore.«
»Gut, in diesem Fall das
Septum nasi,
aber ich hätte mir gewünscht, dass nicht immer nur einer antwortet.« Doktor Tagliacozzi wartete die Reaktion seiner Studenten nicht ab, sondern erbat sich Nadel und Faden und begann unter mancherlei Erklärungen seine Ankündigung in die Tat umzusetzen. Als Schneiderin sah ich, dass er schnell und geschickt vorging. Augenscheinlich machte er diese Arbeit nicht zum ersten Mal.
»Tut das weh, Signore?«
»Nein, kaum«, erwiderte Messer de’ Bonfigli ein wenig nuschelnd, denn er war angehalten worden, Ober- und Unterkiefer möglichst nicht zu bewegen. »Die Weste hat mich viel mehr gequält.«
»Die Weste?« Doktor Tagliacozzi hörte kaum hin, denn er musste sich sehr konzentrieren.
»Sie war eher wie eine Zwangsjacke, Dottore. Konnte mich nicht rücken und rühren, sie zwickte und zwackte, und schlecht saß sie auch.«
»Ja, ja, die Westen, sie machen uns mitunter Kummer.« Doktor Tagliacozzi schien das Thema nicht vertiefen zu wollen, sondern verknotete jeden einzelnen Stich sorgfältig. Dann richtete er sich auf. »Jetzt folgt der letzte Schritt des Fünften Akts, ich werde unter Zuhilfenahme von Binden das Anwachsen des Endstücks unterstützen. Die Verbände wurden zuvor in Eiweiß, Rosenwasser, Drachenblut und Siegelerde getränkt. Nach dem Verheilen beginnt der Sechste Akt. Er sieht die
Insitio columnae
oder die Anheftung des
septums
vor. Alsdann findet die langsame und allmähliche Verbesserung
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