Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
zurück. Es war gerade Zeit für die Kollekte, und wieder musste ich aufstehen, um die Frau durchzulassen. Als der Bastkorb bei uns ankam, tauchte sie die Hand ein weiteres Mal in ihre schwarze Einkaufstasche und zog einen grünen Nairaschein heraus. Sie drehte ihn in der rechten Hand zu einer kleinen, festen Kugel, bevor sie ihn in den Korb warf. Ich hingegen ignorierte den Korb. Ich hatte nichts zu geben. Gegen Ende des Gottesdienstes stand noch einmal ein Mann auf und stellte sich wie der Priester vorne auf die Bühne.
»Haben wir heute Leute dabei, die zum ersten Mal an unserem Gottesdienst teilnehmen?«, fragte er. »Bitte zeigen Sie auf.«
Im Saal schossen einige Hände in die Luft.
»Wären Sie so gut, einmal aufzustehen, damit wir Sie erkennen können?«
Die Gemeinde wurde gebeten, die Besucher – diejenigen, die tatsächlich aufgestanden waren – willkommen zu heißen. Die Leute machten es, indem sie auf die Neulinge zugingen und ihnen die Hand schüttelten, als wollten sie ihnen gratulieren. Der junge Mann neben mir sabotierte meinen Plan, diese Zeremonie zu umgehen. Ich hatte weder meine Hand gehoben noch war ich aufgestanden, und trotzdem wandte er sich mir zu, kaum dass dazu aufgerufen worden war, und schüttelte mir die Hand. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er mich als Neuling identifiziert.
»Willkommen, Bruder«, sagte er.
Alles in allem waren ungefähr dreizehn von uns erkannt worden. Eine Dame, dieselbe, die mich morgens am Eingang begrüßt hatte, geleitete uns in einen anliegenden Raum, wo sich ein Mann vor uns aufbaute. Er hielt eine noch dickere Bibel als jene, aus welcher der Priester zuvor gelesen hatte.
»Ich möchte Ihnen allen danken, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind und an diesem Sonntagvormittag ein paar besondere Stunden mit uns verlebt haben«, begann er. »Wir freuen uns sehr, Sie bei unserer Kampagne Wiedergeburt, jetzt oder nie begrüßen zu dürfen. Wir sind …«
Ich wurde von den Manschetten seines weißen Hemdes abgelenkt. Sie waren unglaublich schmutzig, fast so schwarz wie die Ränder unter seinen Fingernägeln. Seine Hose war am Saum ausgefranst, und von zwei Knöpfen seines Oberhemds hingen lose Fäden.
Irgendjemand verteilte Formulare, auf denen wir unsere Adressen und Telefonnummern eintragen sollten, damit sie uns wochentags erreichen konnten. Wir hatten zu Hause kein Telefon. Ich gab eine falsche Adresse an. Diese Gemeinschaft der Christen war auf keinen Fall das, was mir bei der Lösung meiner Probleme helfen konnte.
»Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie jederzeit eingeladen sind, mit uns zusammen zu beten, wenn Ihnen danach ist«, schloss er. »Sie sind jederzeit willkommen. Bitte betrachten Sie diesen Ort hier als Ihr Zuhause und uns als Ihre Brüder und Schwestern.«
Auf dem Heimweg kramte ich den Flyer aus der Tasche und zerknüllte ihn zu einer kleinen Kugel. Ich warf sie in einen Mülleimer und schüttelte befremdet den Kopf. Der Mülleimer war mit dem falschen Lächeln eines frisch angetretenen Präsidentschaftskandidaten beklebt.
6
Früher hatte es immer Spaß gemacht, in Mutters Schneiderei zu sein. Als sie noch ihren VW Käfer hatte, holte sie uns oft von der Schule ab. Manchmal hielt sie am Straßenrand bei einer Frau an, die in einem riesigen Topf mit Öl verschiedene Dinge briet.»Ich hätte gern Puffpuff«, sagte sie dann.
Die Nasen platt an die Autoscheiben gedrückt, sahen wir zu, wie die Frau mit dem größten Schöpflöffel der Welt Bratbällchen aus dem heißen Öl fischte und in altes Zeitungspapier wickelte. Mutter gab ihr ein paar Münzen und legte die Puffpuffs aufs Armaturenbrett. Ihr köstliches Aroma strömte durch das Auto, so dass sich unsere Nasenlöcher weiteten und uns das Wasser so im Mund zusammenlief, dass die Kiefer schmerzten. Aber keiner bekam auch nur einen Bissen – nicht bevor wir in der Schneiderei ankamen.
Damals lief das Geschäft gut. Doch mit den Jahren hatten die komplizierteren Maschinen so oft repariert werden müssen, dass sie nun an allen Ecken und Enden ihren Geist aufgaben. Die meisten von ihnen waren am Ende. Und die paar Kunden, die geblieben waren, kamen aus Treue, weil sie schon so lange bei meiner Mutter Kunden waren. Andere kamen nur, wenn sie eine Schneiderin brauchten, die ganz schnell etwas nähte. Und für mich gab es kaum mehr einen Grund vorbeizuschauen, außer dass es tagsüber nur dort die Gelegenheit gab, mit meiner Mutter eine Unterredung unter vier Augen zu führen,
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