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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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bei uns eingezogen und in der höheren Schule unseres Bezirks eingeschult worden war, nahm er mich in der Küche beiseite und flüsterte mir etwas ins Ohr.
    »Kings«, sagte er. »Mir ist aufgefallen, du hast eine sehr schöne Handschrift.«
    Ich nahm das Kompliment mit einem Lächeln entgegen. Er sah sich verstohlen um und sprach noch ein bisschen leiser.
    »Kannst du auch Briefe schreiben?«
    »Ja«, erwiderte ich mit dem Selbstvertrauen des besten Englisch-Schülers der Klasse. Mein Onkel nickte zufrieden.
    »Kings, ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust. Ich möchte, dass du mir hilfst, einen Brief zu schreiben.«
    Das war für mich eine meiner leichteren Übungen.
    Später am Abend, als die ganze Familie schon im Bett war, holte er mich aus dem Kinderzimmer. Wir schlichen in die Küche, und er machte Licht und begann zu flüstern.
    »Guck mal hier«, sagte er und zog aus der Tasche seiner Shorts ein zerknülltes Blatt Papier, das er mit Hast glatt strich. »Schreib das in deiner Schrift für mich ab.«
    Vor mir sah ich hässliches ungelenkes Gekritzel, das für Landbewohner und andere, die keine richtige Schulbildung genossen hatten, typisch war. Abgesehen von leichten individuellen Unterschieden hätten sämtliche Leute, die aus dem Dorf zu uns ins Haus gekommen waren, ihre Buchstaben genauso gemalt. Ich las die ersten paar Sätze. Und fand sie vollkommen blödsinnig.
    »Guck nicht so.« Er sah mich spöttisch an und drückte mir einen Kugelschreiber in die Hand. »Ich sage dir, der, von dem ich das abgeschrieben habe, ist unser Klassenbester. Er hat das an seine eigene Freundin geschrieben.«
    Mein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
    »Das ist nur was für große Jungs. Mach dir keine Gedanken, eines Tages wirst du alles verstehen. Schreib es einfach nur für mich ab.«
    Er riss ein frisches Blatt aus dem Heft, das er dabeihatte, und gab es mir. Ich legte es auf eine der Arbeitsflächen in der Küche und machte mich ans Werk.

    Mein liebstes, bestes, wunderbarstes Inbild der Schönheit, anders bekannt als Ijeoma,

    ich hoffe, dieses Schreiben erreicht Dich in einem momentanen Zustand bester körperlicher und geistiger Verfassung. Mein wichtigster Grund, Dir dieses Schreiben zu senden, ist der Wunsch, Deine Gedanken auf etwas zu lenken, das mir schwer auf der Seele liegt.
    Auch jetzt da ich zur Feder greife, schießt mein Adrenalin auf der Richterskala in die Höhe, mein Fieber steigt, die Spiegel meiner Augen werfen nur Dein göttliches Bild zurück, meine geistige Windfahne zeigt gleichzeitig nach Norden, Süden und Osten. Selbst wenn ich schlafe, bist Du der einzige Gedanke in meiner Medulla oblongata, und ich träume von Dir. In einer Trance bin ich aufs Meer hinausgefahren und habe Dich umgeben von H2O gesehen. In Deiner ganzen Majestät bist Du dem Bauch der Tiefe entstiegen. Das Schauspiel raubte mir den Atem.
    Ich will beim Morgengrauen aufstehen und nur Dein Antlitz sehen. Ich will, dass Du der einzige Zucker in meinem Tee bist, das Haar in meiner Suppe, die Butter auf meinem Brot, die grauen Zellen in meinem Hirn, der Planet in meinem Universum, das Fließband in meiner Seele. Ich bete, dass Du ein Einsehen in die gewaltigen Ausmaße meines Geschicks zeigen mögest. Wenn Du meine edlen Versuche der Annäherung zurückweist, wird mein Leben sein wie Salz, das seinen Geschmack verloren hat.
    Ich klopfe heute, an diesem Tag, an die Tür Deines Herzens. Mein Gebet lautet, dass du sie öffnen mögest, um Deinen Diener einzulassen. Der Fleck unten auf dieser Seite ist ein Kuss von mir.

    Ich verbleibe Dein liebster, ergebener Verehrer, Boniface, anders bekannt als Cash as Cash Can, alias Nur-das-Geld-zählt

    In den Tagen darauf bat er mich noch mehrmals, denselben Brief abzuschreiben: an Okwudili, an Ugochi, an Stella, an Ngozi, an Rebecca und an Ifeoma.
    Eines Nachmittags saßen wir vor dem Fernseher, als Onkel Boniface von der Schule nach Hause kam und meiner Mutter einen versiegelten Umschlag von der Lehrerin brachte. Mutter wandte sich vom Bildschirm ab und riss den Umschlag auf.
    »Wie kommt sie darauf, dass du nicht genug Hefte hast?«, fragte sie. »Habe ich dir nicht erst vor drei Wochen lauter neue gekauft?«
    Sie wartete auf eine Antwort von dem schmächtigen Jungen, der vor ihr stand.
    »Was hast du mit den ganzen Heften gemacht?«, bohrte sie nach.
    Onkel Boniface hielt den Blick gesenkt und schwieg. Mein Vater stand auf und ging ins Schlafzimmer. Er mischte sich nie ein, wenn sie

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