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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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sei der Herr.«
    »Halleluja.«
    »Als Nächstes, liebe Gemeinde, wollen wir für die Regierung unseres Landes Nigeria beten.«
    Er fischte ein blütenweißes Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Liebe Gemeinde«, fuhr er fort, wobei er ans rechte Ende der Bühne schritt. »Die Bibel lehrt uns, alle Menschen in unsere Fürbitte aufzunehmen, auch Könige und alle anderen, die Macht ausüben.« Er schritt nach links. »Liebe Gemeinde, lasst uns für unsere Regierung beten, dass Gott unsere Herrscher zu den richtigen Entscheidungen führen möge.« Er schritt nach rechts. »Dass jeder Dämon der Korruption mit der Wurzel ausgerissen werde und wir von Leuten regiert werden mögen, die Nigeria zu einem Land der Gerechten machen.« Er schritt nach links. »Lasset uns beten!«
    Das Gespräch mit dem Vater im Himmel hob wieder an, lauter und mit noch mehr Inbrunst als zuvor. Eine ältere Frau kniete nieder und begann zu stöhnen. Einige Leute, die mehr Platz brauchten, um den Dämonen der Korruption an die Gurgel zu gehen, marschierten in den hinteren Teil des Saals und liefen aufgewühlt herum. Ich schloss die Augen und widmete mich stumm meinem eigenen Krieg. Dann wurde ich neugierig und machte die Augen wieder auf.
    An der rechten Seite des Saals saß der Kirchenchor. In ihren knallroten, glänzenden Blusen und Hemden zu schwarzen Röcken und Hosen wirkten die Sänger überaus auffallend. Keine der Damen trug einen Rock, der nicht mindestens bis zu den Knöcheln reichte; keiner der Männer trug einen erkennbaren Haarschnitt.
    Bald befand der Mann auf der Bühne, dass alle Dämonen der Korruption ausgemerzt worden waren. Er blieb stehen und klatschte in die Hände. Mit dem nächsten Gebet, sagte er, sollten wir uns die Dämonen der Gewalt vornehmen – und um Frieden für das Land bitten, vor allem im Bundesstaat Kano, wo in letzter Zeit wieder einmal islamische Rebellen für Aufruhr gesorgt hatten. Die Gemeinde wandte sich den Dämonen der Gewalt zu und warf sich erneut in den tödlichen Kampf.
    Nach einer Weile stand eine Sängerin, die ziemlich am Rand der Gruppe saß, aus dem Chor auf und trat zu dem Mann, der die Gebete anleitete. Sie stellte sich ruhig neben ihn, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und hielt den Kopf leicht gesenkt. Das musste eine Art Zeichen für die Übergabe sein, denn er hörte sofort auf, hin- und herzulaufen, und klatschte langsam in die Hände.
    »Vater, wir danken dir«, sagte er, als es im Saal still geworden war.
    Er verbrachte weitere Minuten damit, Gott für erhörte Gebete zu danken. Dann reichte er der Sängerin das Mikrofon.
    Das Keyboard und die Trommel und die Gitarre legten los. Die Dame forderte uns auf, im Rhythmus mitzuklatschen.
    »Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt«, sang sie.
    Die Gemeinde klatschte und sang mit, während sie uns von einem Lobgesang zum nächsten führte. Mit jedem neuen Lied heizte sich die Stimmung mehr auf, und mehrere Leute begannen zu jaulen und mit den Armen zu fuchteln. Dem jungen Mann neben mir liefen Tränen über die Wangen. Die Schwangere neben mir erhob sich wankend. Nach mehr als einer halben Stunde Singens war die Atmosphäre aufgeladen wie in einem elektrischen Feld, und inzwischen wollte auch ich nichts lieber als mitsingen. Aber da ich kaum irgendwelche der frommen Texte kannte, konnte ich höchstens mitsummen und klatschen. Dann erhob sich auf einmal in der ersten Reihe ein Mann mit der Haltung eines erfahrenen Chirurgen. Sobald die Sängerin ihn sah, kam sie zum Schluss und kehrte an ihren Platz am Rand des rotleuchtenden Chors zurück. Ich war traurig, dass sie aufhörte, kaum dass ich warm wurde.
    Die Schwangere neben mir tauchte ihre Hand in die schwarze Einkaufstasche und holte ein Taschentuch und einen Plastikfächer hervor. Sie wischte sich die Stirn und fächelte sich energisch Luft zu.
    Der Priester schlug seine Bibel auf und nahm die Gemeinde aufmerksam in den Blick. Sein konzentriertes Starren vermittelte mir den Eindruck, dass er etwas sah, das wir nicht sahen und niemals sehen würden. Er tippte zweimal auf das Mikrofon, um zu kontrollieren, ob es angeschaltet war. Als er den Mund aufmachte, war seine Stimme tief, seine Sprache klar, sein Ton gottgleich.
    »Willkommen zum Gottesdienst am heutigen Morgen«, begann er. »Bitte dreht euch zu dem Menschen neben euch um und sagt ihm: Du bist heute Morgen hier,

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