Die Meerhexe
gerissener, junger Teufel, John Roomer. Du versuchst nur, Zeit zu schinden.« Womit sie durchaus recht hatte.
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, daß du dir verzweifelt eine Antwort auf die Frage überlegst, die wir euch stellen werden: Was macht ihr beide hier?«
»Das geht euch nichts an.« Roomers normalerweise sanfte Stimme klang ungewöhnlich unfreundlich.
Die beiden Mädchen auf dem Rücksitz schwiegen. Insgeheim mußten sie sich eingestehen, daß sie die Männer unterschätzt hatten. Daß die beiden so streng zwischen Privatleben und Beruf trennen würden, wäre ihnen nie in den Sinn gekommen.
Mitchell seufzte. »Warum geht ihr nicht zu eurem Vater und fragt ihn?« schlug er vor. »Ich bin sicher, er wird es euch sagen – allerdings werdet ihr bestimmt die saftigste Tracht Prügel eures Lebens dafür einstecken, daß ihr euch in seine Privatangelegenheiten mischt.« Er stieg aus dem Wagen, öffnete die Tür, wartete, bis die Schwestern ausgestiegen waren, sagte »gute Nacht«, stieg wieder ein und fuhr los. Die beiden Mädchen standen unsicher am Straßenrand und schauten dem Wagen nach.
»Das habe ich fabelhaft gemacht – aber nicht gern«, sagte Roomer.
»Sie haben es sicher nicht böse gemeint. Auf jeden Fall wird es uns für die Zukunft gut zustatten kommen.«
»Es wird uns noch besser zustatten kommen, wenn du bei der nächsten Telefonzelle hältst.«
Fünfzehn Sekunden später kamen sie bei der Zelle an, und eine Minute später kam Mitchell wieder heraus. »Und was sollte das jetzt?« wollte Roomer wissen.
»Tut mir leid, reine Privatsache.« Mitchell gab Roomer ein Stück Papier. Der schaltete die Innenbeleuchtung ein und las: ›Ist der Wagen verwanzt?‹
»Schon gut«, sagte Roomer, und die beiden Männer schwiegen, bis sie zu Hause ankamen. Als sie noch in der Garage standen, fragte Roomer: »Wie kommst du darauf, daß eine Wanze im Wagen sein könnte?«
»Ich weiß es nicht. Wie weit traust du Bentley über den Weg?«
»Das ist doch wohl eine rhetorische Frage. Aber er – oder einer seiner Männer – hätten gar nicht die Zeit dazu gehabt, etwas einzubauen.«
»Man braucht nur fünf Sekunden, um eine magnetische Wanze zu befestigen.«
Sie durchsuchten zuerst Roomers Wagen und dann Mitchells. Beide waren sauber. In Mitchells Küche angekommen, fragte Roomer: »Wen hast du eigentlich angerufen?«
»Den alten Knaben natürlich. Ich habe ihn noch erwischt, bevor die Mädchen mit ihm sprechen konnten, ihm erzählt, was passiert war, und ihm geraten, er solle ihnen erklären, daß er gegen sie gerichtete Drohungen erhalten hätte, daß er die Quelle kenne, daß er der hiesigen Polizei nicht traue und deshalb uns beauftragt hätte, die Sache in die Hand zu nehmen. Er biß sofort an. Und dann sagte ich ihm noch, er solle ihnen den Marsch blasen, weil sie sich in seine Angelegenheiten mischen.«
»Er wird sie schon überzeugen«, meinte Roomer zuversichtlich.
»Was viel wichtiger ist: hat er dich überzeugt?«
»Nein. Er denkt schnell und lügt noch schneller. Er wollte testen, wie ernst man ihn im Falle eines echten Notfalls nehmen würde. Und jetzt hat er den Beweis, daß er ernst genommen wird. Ich denke, wir sagen Bentley genau das, was wir ihm auf Wunsch des Lords sagen sollen.«
»Was sonst?«
»Glaubst du, es stimmt, was er uns gesagt hat?«
»Daß er einen eigenen Geheimdienst unterhält? Das glaube ich sofort. Daß er zur Meerhexe hinausfliegt? Auch das glaube ich. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob auch die Zeitangaben korrekt waren. Wir sollen Bentley sagen, daß er am Nachmittag fliegt, und uns hat er gesagt, daß er bei Tagesanbruch startet. Wenn er Bentley anlügen kann, dann kann er uns auch anlügen. Auch wenn ich nicht weiß, weshalb er es für nötig halten sollte, uns anzulügen – wahrscheinlich kann er einfach nicht anders. Ich glaube, daß er viel früher aufbricht.«
»Ich auch«, sagte Roomer. »Wenn ich die Absicht hätte, bei Tagesanbruch abzufliegen, wäre ich um diese Zeit mindestens auf dem Weg ins Bett, wenn nicht schon im Tiefschlaf. Aber er machte nicht den Eindruck, als ob er die Absicht hatte, bald zu Bett zu gehen. Daraus schließe ich messerscharf, daß es sich auch gar nicht mehr lohnen würde.« Er dachte kurz nach. »Wie machen wir's – marschieren wir getrennt?«
»Ich denke ja. Du fährst zum Hubschrauberstartplatz, und ich hefte mich an die Fersen Seiner Lordschaft.«
»Genau.« Mitchell sah hervorragend im
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