Die Meerhexe
›Versprechungen‹.« Nachdem der Lord mit diesem effektvollen Satz die Konversation abgewürgt hatte, senkte sich tiefes Schweigen über den Raum, was den Lord jedoch in keiner Weise zu stören schien – er machte einen ruhigen, entspannten Eindruck. Diese Ruhe war allerdings eine hervorragende schauspielerische Leistung, denn Lord Worth wußte genau, wieviel für ihn davon abhing, ob der Außenminister erschien oder nicht.
Er erschien. John Belton sah nicht im entferntesten wie der Mann aus, als der er bekannt war – als hartgesottener Verhandlungspartner, der auch rücksichtslos sein konnte, wenn die Situation es erforderte, und der nicht dazu neigte, seine Kollegen vom Kabinett zu Rate zu ziehen, wenn es um Entscheidungen ging. Er sah vielmehr aus wie ein wohlhabender Farmer und strahlte Herzlichkeit und Freundlichkeit aus, womit er Lord Worth, der auf Herzlichkeit und Freundlichkeit spezialisiert war, allerdings keinen Augenblick täuschen konnte. John Belton war aus anderem Holz geschnitzt als Howell – ein würdiger Gesprächspartner für Lord Worth. Er stand auf, und Belton schüttelte ihm ausgiebig die Hand. »Lord Worth! Welch außerordentliche Ehre, daß der mächtigste Ölbaron der Vereinigten Staaten sich um Hilfe an uns wendet!«
Lord Worth war höflich, aber nicht unterwürfig. »Ich wünschte, wir würden uns unter glücklicheren Umständen kennenlernen. Es ist sehr entgegenkommend von Ihnen, mir ein paar Augenblicke Ihrer Zeit zu schenken. Fünf Minuten werden reichen. Ich verspreche es.«
»Verfügen Sie über mich – solange Sie wollen.« Belton lächelte. »Sie stehen in dem Ruf, nicht um den heißen Brei herumzureden. Zufällig sagt man das gleiche von mir.«
»Ich danke Ihnen.« Der Lord warf Howell einen vernichtenden Blick zu. »Dreizehn Minuten, um vierzig Meter zurückzulegen.« Dann wandte er sich wieder an den Außenminister. »Mr. Howell hat Sie sicherlich schon vorbereitet?«
»Ja ich weiß einigermaßen Bescheid. Was haben Sie für Wünsche?«
Lord Worth mußte sich beherrschen, um seine Genugtuung nicht zu deutlich zu zeigen – dieser Mann war so recht nach seinem Herzen. John Belton fuhr fort: »Wir könnten uns natürlich an die sowjetischen und venezolanischen Botschafter wenden, aber das ist, als ob man mit Puderquasten spricht. Sie können nicht mehr tun, als unsere Verdächtigungen und verschleierten Drohungen an ihre Regierung weiterzugeben. Sie selbst sind völlig machtlos. Noch vor zehn Jahren hatten Botschafter etwas zu sagen. Sie konnten verhandeln und Entscheidungen fällen, aber das ist vorbei. Sie sind ohne eigenes Verschulden zu gesichtslosen Niemanden geworden, die bei Verhandlungen zwischen den Ländern konstant übergangen werden. Sogar die Chauffeure, die üblicherweise ausgebildete Agenten sind, haben mehr Macht als ihre Herren.
Wir könnten uns natürlich auch direkt an die betreffenden Regierungen wenden. Aber dazu brauchten wir handfeste Beweise. Es würde zwar niemand Ihr Wort anzweifeln, aber es reicht nicht aus. Wir müssen einwandfreie Beweise für üble Absichten haben.«
»Diese Beweise habe ich«, fiel ihm Lord Worth ins Wort. »Und ich kann sie Ihnen auch gleich andeuten. Es widerstrebt mir außerordentlich, Namen zu nennen, weil es für einen meiner Freunde das Ende seiner Karriere bedeuten würde, aber wenn es nicht anders geht … Ob ich Ihnen diese Namen preisgebe oder der Öffentlichkeit, wird ausschließlich von der Reaktion des Ministeriums abhängen. Wenn man mir nicht zusichert, daß seitens der Regierung etwas unternommen wird, habe ich keine andere Wahl, als mich an die Öffentlichkeit zu wenden. Ich möchte Sie nicht erpressen. Ich sehe mich lediglich in eine Ecke gedrängt, und um aus ihr herauszukommen, muß ich kämpfen. Wenn Sie jedoch in meinem Sinne entscheiden, werde ich Ihnen eine Liste von Namen geben, die, wie ich hoffe, nicht von Ihrem Ministerium veröffentlicht wird. Geheimhaltung ist das Gebot der Stunde. Aber ich kann Sie natürlich nicht davon abhalten, das FBI von der Kette zu lassen, sobald ich da draußen in meinen Hubschrauber steige.«
»Das große, warme Herz des amerikanischen Volkes gegen den unfähigen Haufen von einem Außenministerium.« Belton lächelte. »Allmählich verstehe ich, wie sie Millionär geworden sind – Verzeihung, ich meine natürlich Milliardär.«
»Anfang dieser Woche fand an einem See im Westen eine geheime Konferenz statt. Zehn Leute, alles große Ölbosse, nahmen daran
Weitere Kostenlose Bücher