Die Meerhexe
die Ihre, nein, ich muß mich korrigieren: sie ist viel kostbarer. Sie wollen mich abspeisen, und das mache ich nicht mit.«
»Wie können Sie so etwas sagen! Sie sitzen in meinem Büro, und General Zweicker ist anwesend. Wie vielen anderen Bürgern wird dieser Vorzug schon zuteil?«
»Je größer die Fassade, um so größer die Abfuhr. Ich bin es nicht gewöhnt, mit irgendwelchen subalternen Leuten zu verhandeln. Ich unterhalte mich üblicherweise mit der absoluten Spitze, zu der ich bisher noch nicht vorgedrungen bin, was mir aber ganz sicher noch gelingen wird. Ihre diplomatische Tiefkühltaktik funktioniert bei mir nicht. Ich bin kein Mensch, der um jeden Preis Schwierigkeiten macht, aber ich werde alles tun, um zu erreichen, daß mir Unterstützung gewährt wird. Sie können mich nicht unter Ihren diplomatischen Teppich kehren, Mr. Howell. Ich habe Ihnen erst kürzlich berichtet, daß internationale Drohungen gegen die Meerhexe vorliegen, und Sie hatten es vorgezogen, das entweder nicht zu glauben oder einfach zu ignorieren. Und jetzt komme ich zu Ihnen, um Ihnen als Beweis für die Drohungen zu berichten, daß drei Kriegsschiffe auf dem Weg zu der Bohrinsel sind, aber Sie zeigen immer noch keine Bereitschaft, etwas zu unternehmen. Ich möchte Ihnen übrigens raten, sich einen neuen Geheimdienst zuzulegen, falls Sie tatsächlich vor meiner diesbezüglichen Information noch nichts von den drei Schiffen gewußt haben sollten.«
»Wir wissen über die Schiffe Bescheid«, sagte General Zweicker. »Aber bis jetzt sehen wir noch keine Veranlassung, irgend etwas zu unternehmen. Sie haben keinen Beweis dafür, daß Ihre Behauptungen wirklich der Wahrheit entsprechen. Sie stützen sich nur auf Vermutungen, auf sonst nichts. Erwarten Sie tatsächlich allen Ernstes von uns, daß wir auf Mutmaßungen einer Privatperson hin Marineeinheiten und ein Geschwader von Jagdbombern mobilisieren?«
»Und ich möchte Sie daran erinnern«, fiel Howell ein, »daß Sie nicht einmal amerikanischer Staatsbürger sind.«
Lord Worth wiederholte leise: »Nicht einmal amerikanischer Staatsbürger!« Er wandte sich an die Sekretärin: »Ich hoffe, Sie haben das mitgeschrieben.« Howell wollte etwas sagen, aber Lord Worth hob gebieterisch die Hand. »Zu spät, Howell, zu spät, um Ihren Lapsus zurückzunehmen, einen Lapsus von wirklich beachtlicher Größe. Was soll das heißen, daß ich kein amerikanischer Staatsbürger bin? Ich habe an dieses Land im letzten Jahr mehr Steuern gezahlt als alle großen Ölgesellschaften der Vereinigten Staaten zusammen – ganz abgesehen davon, daß ich die Staaten mit dem billigsten Öl versorgt habe. Wenn die Handlungsweise des Außenministeriums Rückschlüsse darauf zuläßt, wie dieses Land regiert wird, dann kann ich mich allerdings nur dazu beglückwünschen, immer noch einen britischen Paß zu besitzen. Sie haben wohl zweierlei Gesetze: eins für Amerikaner und eins für Barbaren. Eine schöne Gerechtigkeit ist das! Nicht einmal amerikanischer Staatsbürger! Das wird ein Leckerbissen für die Journalisten, die zu meiner nächsten Pressekonferenz kommen. Und die wird sofort nach meinem Weggang von hier stattfinden!«
»Eine Pressekonferenz?« Howell zeigte eindeutige Anzeichen von Unruhe.
»Aber natürlich«, Lord Worths Stimme war ebenso grimmig wie seine Miene. »Wenn Sie mich nicht schützen wollen, mein Lieber, dann werde ich mich eben selbst schützen.«
Howell sah den General an und dann wieder den Lord. Er bemühte sich, seiner Stimme einen offiziellen und einschüchternden Klang zu verleihen. »Ich möchte sie daran erinnern, daß alle Gespräche, die in diesem Raum stattfinden, streng vertraulich sind.«
Lord Worth musterte ihn kalt. »Es ist immer traurig, wenn man sehen muß, daß ein Mann seinen wahren Beruf verfehlt hat – Sie hätten wirklich Schauspieler werden sollen, mein Bester, und kein hoher Regierungsbeamter. Vertraulich! Das ist gut! Wie können Sie mich an etwas erinnern, das Sie mir gegenüber noch gar nicht erwähnt haben? Wenn keine Dame anwesend wäre, würde ich Ihnen deutlich erklären, was ich von dieser idiotischen Bemerkung halte. Guter Gott, es ist wirklich köstlich, einen solchen Hinweis von der Nummer zwei einer Regierung zu hören, bei der es an der Tagesordnung ist, daß strenggeheime Staatsangelegenheiten in die Hände von Journalisten gelangen – zweifellos als Gegenleistung für ein passendes ›quid pro quo‹. Ich kann Heuchelei nicht ertragen. Und
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