Die Meerhexe
der Hand, und aus ihren Mienen ließ sich unschwer schließen, daß es keine guten Nachrichten waren, die ihnen da übermittelt wurden – beide Männer versuchten ohne jeden Erfolg, ein paar Tanker aufzutreiben. Es gab zwar an der Süd- und Ostküste ein halbes Dutzend ungenutzt daliegender Tanker, aber sie gehörten allesamt den großen Ölgesellschaften, die sie lieber verschrottet hätten, als sie an die North Hudson zu vermieten. Die nächsten Tanker der erforderlichen Größe lagen entweder in England, Norwegen oder im Mittelmeerraum, und sie herüberbringen zu lassen, hätte nicht nur einen unzumutbaren Zeitaufwand bedeutet, sondern auch Unsummen gekostet, und vor allem letzteres schmeckte dem Lord ganz und gar nicht. Er und Larsen hatten sogar schon erwogen, einen der Supertanker einzusetzen, sich aber dann doch dagegen entschieden – aufgrund des riesigen Fassungsvermögens dieser Tanker wäre es ein zu großes Verlustgeschäft gewesen. Und außerdem war auch ein Supertanker nicht dagegen gefeit, das gleiche Schicksal zu erleiden wie die Crusader. Sicher, sie waren alle bei Lloyd's versichert, aber die Angestellten dieser illustren Firma, die sich mit der Untersuchung von Unfällen auf dem Meer befaßte, waren samt und sonders gescheite und gründliche Arbeiter, und obwohl sie berechtigte Ansprüche ausnahmslos bestätigten, ließen sie sich eine Menge Zeit mit ihrer endgültigen Entscheidung.
Von der Torbello kam wieder eine Routinemeldung herein. Sie sollte in einer Stunde in Galveston einlaufen.
Eine halbe Stunde später erhielten sie eine neue Nachricht von der Torbello: noch eine halbe Stunde bis Galveston.
Lord Worth wäre seiner Sache bei weitem nicht so sicher gewesen, wenn er gewußt hätte, daß jetzt, da es dunkel geworden war, die Starlight die Georgia verlassen hatte und auf die Meerhexe zufuhr. Da sie auf Elektroantrieb umgeschaltet war, würde sie von den Sonaren der Meerhexe wohl kaum entdeckt werden. Sie hatte hervorragende Taucher an Bord und ein eindrucksvolles Sortiment von Minen, die alle durch Fernsteuerung ausgelöst werden konnten.
Wiederum eine halbe Stunde später traf die Nachricht ein, daß die Torbello wohlbehalten in Galveston angekommen sei. Lord Worth sagte zu Larsen, er wolle sich sofort mit den Verantwortlichen im Hafen in Verbindung setzen, damit die Torbello so schnell wie möglich wieder auslaufen könne.
Eine Minute später war das Gespräch da – die Lord Worths dieser Welt läßt man eben nicht warten. Als er seinen Wunsch vorgebracht hatte, entgegnete der Hafenmeister reichlich überrascht: »Tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, Sir.«
»Ich habe mich doch wohl deutlich genug ausgedrückt, verdammt nochmal«, wetterte Lord Worth.
»Ich kann Ihnen wirklich nicht folgen, Sir. Ich fürchte, man hat Sie falsch informiert oder auf den Arm genommen – die Torbello ist nicht hier.«
»Aber, verdammt nochmal, ich habe doch gerade erst die Nachricht …«
»Eine Sekunde, bitte.«
Aus der einen Sekunde wurden dreißig. Währenddessen brachte Mitchell dem Lord ein Glas Scotch, das dieser in einem Zug bis zur Hälfte leerte. Dann meldete sich der Hafenmeister wieder.
»Ich habe höchst irritierende Neuigkeiten: Ihr Tanker ist nicht nur nicht hier, es ist auch in einem Umkreis von vierzig Meilen kein Schiff von der Größe der Torbello auf dem Radarschirm zu sehen.«
»Was kann denn nur mit ihr passiert sein, zum Teufel? Ich hatte doch erst vor drei Minuten Verbindung mit ihr.«
»Dann kann ihr nichts zugestoßen sein.«
Lord Worth legte auf, ohne sich zu bedanken. Er starrte Larsen und Mitchell so wütend an, als seien sie am Verschwinden des Tankers schuld. Schließlich sagte er: »Ich kann mir die Sache nur so erklären, daß der Kapitän der Torbello durchgedreht hat.«
»Und ich«, sagte Mitchell, »kann mir die Sache nur so erklären, daß er auf seinem eigenen Schiff ein Gefangener ist.«
»Zusätzlich zu Ihren anderen Fähigkeiten«, sagte Lord Worth ironisch, »haben Sie jetzt wohl auch noch das Zweite Gesicht, was?«
»Ihre Torbello ist entführt worden.«
»Entführt! Entführt? Jetzt drehen Sie wohl durch! Wer hat schon mal davon gehört, daß ein Tanker entführt worden ist?«
»Wer hatte je davon gehört, daß ein Jumbo-Jet entführt wurde, bevor es das erste Mal passierte? Nach dem, was mit der Crusader geschehen ist, hätte sich der Kapitän der Torbello ganz sicher schwer gehütet, ein anderes Schiff auch nur
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