Die Meerhexe
daß jeder bei seinem Job bleiben sollte – ich mische mich ja auch nicht in seine Geschäfte.«
»Da haben Sie auch wieder recht.« Sie machten kurz beim Funkraum halt, und Larsen schaute halb befriedigt und halb bedauernd auf Durand hinunter, der immer noch bewußtlos am Boden lag. »Was für ein schöner Anblick. Aber es wäre mir lieber, ich hätte ihn erledigt.«
»Ich glaube nicht, daß Durand dieser Gedanke besonders sympathisch wäre – Schönheitschirurgen kosten eine Menge Geld.«
Die nächste Zwischenstation machten sie im Krankenrevier. Larsen sah die nach wie vor scheinbar im Koma liegende Melinda und den hellwachen Roomer an, und seine riesigen Hände ballten sich zu Fäusten. Roomer lächelte. »Ich weiß, ich weiß, aber Sie kommen spät. Wie tief ist das Wasser um die Bohrinsel herum?«
»Zweihundertsiebzig Meter.«
»Dann brauchen Sie eine Taucherglocke, wenn Sie Ihre Hände um die Hälse der Verantwortlichen legen wollen. Nun, Mr. Larsen, wie es uns geht, sehen Sie ja jetzt, aber wie steht es draußen bei Ihnen?«
»Ich habe auf der faulen Haut gelegen, aber Mr. Mitchell war dafür um so aktiver. Abgesehen von den drei Männern, die jetzt auf dem Grund des Golfs liegen, hat er mich um das Vergnügen gebracht, mir Durand vorzunehmen, und auch Aaron fühlt sich nicht besonders.«
»Mein Freund hält in solchen Fällen nicht viel von Diplomatie«, erklärte Roomer entschuldigend. »Die Meerhexe ist also in unserer Hand?«
»Für den Augenblick ja.«
»Wieso nur für den Augenblick?«
»Können Sie sich vorstellen, daß ein Mann wie Cronkite aufgibt? Er hat fünf Männer verloren und wird wahrscheinlich weitere acht oder neun verlieren. Aber was bedeutet das schon für einen Mann, der zehn Millionen Dollar zur Verfügung hat? Und vergessen Sie vor allem nicht seinen privaten Rachefeldzug gegen Lord Worth. Wenn er sein Ziel nur dadurch erreichen kann, daß er die Bohrinsel teilweise oder völlig zerstört und damit auch alle Menschen tötet, die sich darauf befinden, dann wird er es ganz sicher tun, ohne sich vor anschließenden schlaflosen Nächten zu fürchten.«
Mitchell wandte sich an Dr. Greenshaw: »Ich glaube, Sie sollten jetzt die Tragbahren fertig machen. Könnten Sie ein paar Mann von Ihrer Bohrmannschaft entbehren, Commander, damit sie dabei helfen, die beiden Patienten auf die Tragen zu legen und zum Helikopter hinauszutragen? Ich fürchte, John, ihr werdet keine besonders netten Mitreisenden haben – Aaron und Durand müssen mit. Aber natürlich fachgerecht verschnürt.«
»Na, da danke ich dir aber sehr.«
»Manchmal – nur manchmal – schaffe ich es, genauso clever zu sein wie du. Ich würde es nicht ausschließen, daß Cronkite sich irgendwie Zugang zur Meerhexe verschafft. Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung, wie er das zuwege bringen sollte, aber ein aufgebrachter Mann, der noch dazu ausgesprochen gerissen ist, kann fast alles schaffen. Und falls es ihm gelingen sollte, möchte ich nicht, daß Durand und Aaron mit anklagenden Fingern auf mich zeigen. Ich ziehe es vor, ein unauffälliger und harmloser Seismologe zu bleiben.«
Larsen gab per Telefon einige Befehle und ging dann mit Mitchell zu Lord Worths Wohnraum. Lord Worth hatte den Telefonhörer in der Hand. Seinem finsteren Gesichtsausdruck nach zu urteilen, waren es keine angenehmen Neuigkeiten, die er geliefert bekam. Marinas Miene war nicht viel fröhlicher. »Ich nehme an, du hast die Plattform inzwischen mit Leichen gepflastert.«
»Du tust mir bitter Unrecht – es war niemand mehr da, den ich hätte umbringen können.« Marina zuckte zusammen und senkte den Blick.
»Die Meerhexe ist in unserer Hand, Lady Marina«, sagte Larsen. »Wir erwarten in zehn Minuten zwar noch einmal etwas Ärger, aber mit dem werden wir schon fertig.«
Lord Worth legte den Hörer auf und fragte: »Was ist los?«
»Cronkite schickt per Hubschrauber Verstärkung – acht oder neun Mann. Aber die haben nicht die geringste Chance. Cronkite nimmt natürlich an, daß Durand noch den Oberbefehl hier hat.«
»Also hat er ihn nicht mehr?«
»Er ist bewußtlos und gut verschnürt. Und Aaron desgleichen.«
Ein sehnsuchtsvoller Ausdruck trat in Lord Worths Augen. »Kommt Cronkite auch mit?«
»Nein.«
»Wie schade. Ich habe übrigens gerade schlechte Nachrichten bekommen: die Torbello mußte ihre Fahrt unterbrechen.«
»Sabotage?«
»Nein. Die Haupttreibstoffleitung ist gebrochen. Es ist nicht tragisch, aber die Reparatur
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