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Die Meerjungfrau

Die Meerjungfrau

Titel: Die Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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hob sie
die Hände und ließ die Finger durch das Haar gleiten, so daß es in dem
schwachen Licht kupfern glänzte.
    »Ich — ich müßte eigentlich
gehen«, krächzte ich mit schwacher Stimme. »Schließlich steht uns ein Kampf
bevor und...«
    »Und?« sagte sie sanft.
    Ich rang wacker um einen guten
Grund, weshalb ich eigentlich hätte gehen müssen, und gab beglückt mein Bemühen
auf. Natürlich mußten gewisse Dinge erledigt werden, und natürlich stand uns
ein Kampf bevor. Aber schließlich, gab es nicht auch historische Präzedenzfälle
dafür, daß sich der Krieger vor dem Kampf erquickt hatte? War nicht Sir Francis
Drake zum Bowlingspielen gegangen, während die spanische Armada auf den
Ärmelkanal zusegelte ?
     
    Gegen zehn Uhr zerschellte die
Armada an den Felsen, und Royal kroch an die Oberfläche, holte tief Luft, legte
die Erfahrung zum übrigen und beschloß zu gehen.
    Es war das einzige Resolute,
was ich in diesem Jahr getan hatte. Helene küßte mich zum Abschied an der Tür
und streichelte mit warmen, feuchten Händen mein Gesicht.
    Ich ging zum Wagen hinunter und
mußte eine Weile in ihm sitzen bleiben, bevor ich die Kraft aufbrachte, den
Motor anzulassen.
    Als ich genügend Kraft
gesammelt hatte, zündete ich eine Zigarette an und dachte über Dora nach.
    Es war schon ziemlich spät, um
unangemeldet dort einzutreffen, aber ich mußte schließlich etwas tun, um die
Zeit bis zum Zubettgehen auszufüllen. Und es war erst zehn nach zehn.
    Ich fuhr zur Stadt zurück. Der
Verkehr war leichter geworden, und ich schaffte es, in ziemlich kurzer Zeit zu
Doras Haus zu kommen. Es lag an einer Wohnstraße, nicht allzuweit von United World entfernt — teuer und behaglich — und Dora mußte gewußt haben,
daß ich käme — der Porsche glitt in eine Parklücke unmittelbar vor dem Eingang.
    Der Mann, der am Aufzug
Nachtdienst hatte, war mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt, und ich wollte
ihn nicht stören — was ich überhaupt nie gern tue. Doras Wohnung lag ohnehin im
ersten Stock, also stieg ich zu Fuß hinauf.
    In der Holzverkleidung neben
der Tür zu 2 B war ein Knopf angebracht, auf den ich zweimal drückte und dann
wartete.
    Die Tür öffnete sich, und Dora
stand da. Sie mochte in mancher Beziehung blöde sein — aber so wie sie aussah,
hätte sich ohnehin niemand für ihre Intelligenzquote interessiert. Das
einfache, am Hals weit ausgeschnittene und bis zu den Oberschenkeln herauf
geöffnete Negligé ersetzte jede klassische Bildung. Und selbst wenn ihr Haar
unordentlich war — wen störte das, wenn es über Augen wie die von Dora fiel?
    »Sie!« sagte sie laut und
versuchte, die Tür zu schließen.
    Das wäre ihr auch gelungen,
hätte ich meinen Fuß nicht dazwischengeklemmt . Sie
drückte, ich drückte. Sie gab schwer atmend nach, was ebenfalls nicht gegen die
Regeln der Bildung verstieß, zumindest nicht, wenn man so wie ich die
mathematischen Abmessungen studierte.
    »Was wollen Sie?« zischte sie
auf entmutigende Weise, als ich in die Wohnung trat.
    »Es wird sie überraschen,
Süße«, sagte ich, »aber ich wollte mit Ihnen reden.«
    »Worüber?«
    Ich sah mich in der Wohnung um.
Dora hatte begonnen, sich einen Lebensstil zuzulegen, der zur Gewohnheit werden
konnte. Die Wohnung war groß und betont modern eingerichtet.
    »Hübsch haben Sie’s hier«,
bemerkte ich. »Sie müssen sicher ziemlich viel Miete zahlen — oder vielleicht
ist es Ihnen lieber, wenn ich darüber nicht spreche?«
    »Machen Sie, daß Sie
rauskommen!« fuhr sie mich an.
    Ich grinste. »Das geht nicht —
die Tür ist zu. Mehr noch, warum sollte ich mir solche Mühe gemacht haben, hier
hereinzukommen, nur um wieder zu gehen, bevor ich ein paar Fragen an Sie gestellt
habe?«
    »Was wollen Sie?« fragte sie
erneut.
    Ich seufzte. Heute war —
abgesehen von einer Ausnahme — einfach nicht Royals Glückstag.
    »Wir wollen uns die Fragerei
vereinfachen«, sagte ich. »Damit meine ich, daß ich mich setzen werde und Sie
auch. Ich stelle die Fragen. Sie beantworten sie. In Ordnung?«
    »Sie sind unmöglich«, fauchte
sie. »Ich werde dafür sorgen, daß Mr. Millhound davon
erfährt. Sie haben sich bei ihm ohnehin schon sehr beliebt gemacht.«
    Darauf hätte mir eine schlagfertige
Antwort einfallen müssen, aber das schaffte ich nicht. Ich war allzusehr damit beschäftigt, zuzusehen, wie Dora sich auf
der Couch niederließ und was sie hinterher tat — sie schlug die Beine so
übereinander, daß sich der Schlitz in dem

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