Die Meisterin der schwarzen Kunst
auch nur einen Gulden sinnlos zu verschwenden.»
«Ich habe den armen Barthel immer wieder gebeten, mir die Reise nach Straßburg zu erlauben», sagte Henrika nachdenklich. «Zunächst wollte er davon nichts hören, aber kurz vor seinem Tod schien er es sich anders überlegt zu haben. Er wollte, dass ich …» Sie redete nicht weiter. Wieder wurde ihr schmerzhaft bewusst, dass Barthel sie vermutlich hatte wegschicken wollen, da er nicht mehr an ihre Sicherheit in seinem Haus glaubte.
«Es ist nicht richtig, deinen Meister zu beschwindeln», sagte sie kopfschüttelnd. «Barthel ist tot. Er hat mich nicht nach Straßburg geschickt, schon gar nicht mit einer Empfehlung an Meister Carolus.»
Aber der Drucker muss genau davon überzeugt werden, dachte David. Dann würde er keine Fragen stellen, wenn er mit Jeremias Zorns Darlehen ankam. Er würde es für das versprochene Geld des Festungsbaumeisters halten und Henrika für seine Botin. Für Gewissensbisse blieben jetzt keine Zeit. Wenn er die Druckerei retten wollte, musste er handeln.
«Willst du nun Gazettenmacherin werden oder nicht?», fragte er mit fester Stimme. «Du hast die Wahl zwischen der Druckerei und dem Bettelvogt.»
Henrika starrte ihn wütend an. Sie stand auf und nahm den Wanderstab ihres verstorbenen Pflegevaters. Ihr Stolz drängte sie, David einfach stehen zu lassen und zu verschwinden. Irgendwo würde sie schon ein Plätzchen finden, auch wenn sie bezweifelte, dass die Handwerker und Kaufleute von Straßburg mit einer Dienstmagd wie ihr gut auskommen würden. Sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt. War es da richtig, ihren Traum von der Zeitung einfach zu vergessen, nur weil Davids Angebot ihr zweifelhaft vorkam?
Sie dachte an Laurenz, an das entwaffnende Lächeln, mit dem er sich damals am Tor der Zollschreiberei von ihr verabschiedet hatte. Laurenz war anders als sein mürrischer Bruder, und wie es aussah, hatte er auch in der Druckerei mehr zu sagen als David. Er würde sie gewiss nicht abweisen. In diesem Moment traf Henrika ihre Entscheidung. Sie wandte sich dem jungen Mann zu, der abwartend vor ihr stand, und sagte: «Ich halte dich für einen Falschspieler.»
David schnaubte, gab aber durch nichts zu erkennen, dass ihn Henrikas Vorwurf traf. «Irrtum, ich bin derjenige, der dafür sorgt, dass Träumer wie du und mein Bruder Laurenz überhaupt etwas zum Spielen haben.»
«Mag sein», erwiderte Henrika. «Und vermutlich hast du für deine Heimlichkeiten auch gute Gründe. Daher entscheide ich mich dafür, dir zu vertrauen, auch wenn es mir schwerfällt.»
«Dann wirst du Carolus morgen sagen, dass das Geld des Festungsbaumeisters in Kürze eintreffen wird?»
Henrika nickte. Alles, was du willst, dachte sie erschöpft. Wenn ich nur ein Bett bekomme, in dem ich endlich die Augen zumachen und ausruhen kann. Wie durch einen Nebel beobachtete sie, wie David den Riegel zurückschlug und mit einer galanten Geste auf den engen Flur deutete. Zufrieden sah er nicht aus, fand sie. Hatte er keine Übung im Heucheln und Betrügen? Unwichtig, daran wollte sie nun nicht denken. Vielleicht gelang es ihr ja, sich vor dem Einschlafen das Wiedersehen mit Laurenz auszumalen. Das würde sie für ihren Hunger und die brennenden Füße entschädigen.
Und für Davids merkwürdigen Vorschlag.
Am nächsten Morgen lagen dichte Nebelschwaden über den Dächern der Stadt. Henrika erwachte in einem winzigen Kämmerchen, in dem ihr Davids Verwandte nach viel gutem Zureden ein Bett mit frischem Linnen bezogen hatte.
Obwohl Henrika beim Geläut der Glocken, die zur Frühandacht ins Münster riefen, noch längst nicht ausgeschlafen war, sprang sie auf und tauchte den Schwamm, der neben der tönernen Waschschüssel lag, in das eiskalte Wasser.
Als David wenig später an die Tür klopfte, um sie abzuholen, war Henrikas Haut noch gerötet, so heftig hatte sie ihren Körper mit der Rosshaarbürste abgeschrubbt. Hastig flocht sie ihr Haar zu einem Zopf, glättete den schwach nach Muskatblüte und Anis duftenden Rock ihrer neuen Wirtin und schlüpfte in die viel zu großen Lederschuhe, die ihr Emma vor die Kammer gestellt hatte.
Auf der Gasse hatte sie ihre liebe Not, nicht bei jedem Schritt zu stolpern, doch glücklicherweise verbarg der Saum des langen Rockes, wie abgenutzt das Schuhwerk war.
Schweigend überquerten sie einen schmalen Steg und gingen dann ein Stück an der Breusch entlang, wo zu dieser frühen Morgenstunde schon emsiges Treiben herrschte. Fischer
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