Die Meisterin der schwarzen Kunst
von einem berühmten Meister aus Italien gelernt. Dafür sind nämlich bestimmte Handgriffe nötig, die nicht nur Geschick und Ausdauer, sondern auch ein gutes Augenmaß verlangen.» Sie seufzte. «Nun, gute Augen hat Ludwig, auch wenn er schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Aber bedauerlicherweise ist er nicht mehr so flink auf den Beinen. Er behandelt nur noch, wenn der Stadtmedicus nirgendwo aufzutreiben ist.» An David gewandt, fügte sie hinzu: «Ludwig hat sich eine Stunde nach dem Angelusläuten zur Apotheke aufgemacht, um von Meister Albrecht ein paar Salben mischen zu lassen. Ich vermute, dass er unterwegs im Wirtshaus gelandet ist. So lange kann es ja nicht dauern, ein paar Arzneien zusammenstellen zu lassen.»
David erwiderte nichts, doch er spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er war heilfroh, dass er dem Verwandten nicht in der Apotheke über den Weg gelaufen war. Vermutlich hatten sie einander nur knapp verfehlt. Ludwig mochte ihn zwar gut leiden, aber von der Patriziersippe Zorn hielten er und Emma noch weniger als von Meister Carolus. Es war besser, wenn auch sie nichts von seiner Unterredung mit dem Ratsherrn erfuhren.
«Das Mädchen kann vorerst bei uns bleiben», entschied Emma mit fester Stimme, während sie einen Kessel aufsetzte, um etwas Ziegenmilch zu erhitzen. «Unsere Magd, dieses liederliche Ding, hat sich vor drei Monaten mit irgendeinem Lümmel aus dem Staub gemacht. Vermutlich hat er ihr ein Kind aufgehalst. Ich könnte daher eine fleißige Jungfer gebrauchen, sofern sie tüchtig und gottesfürchtig ist. Ludwig würde eine helfende Hand in der Chirurgenstube sicher auch guttun. In letzter Zeit ist er ein wenig unleidlich geworden und kläfft seine Kundschaft an wie ein Straßenköter. Kein Wunder, dass ihm die Kranken in Scharen davonlaufen.»
Henrika schluckte. Der Vorschlag der alten Emma mochte freundlich gemeint sein, doch er kam reichlich überraschend. Wenn sie sich hier als Magd verdingte, rückte ihr Ziel, für den Zeitungsdrucker tätig zu werden, in weite Ferne.
«Ich bin nach Straßburg gekommen um für Meister Carolus zu arbeiten», raunte sie David zu. «Ich möchte keinem Wundarzt zur Hand gehen, sondern lernen, wie eine Gazette gemacht wird.»
Doch Emma hatte ihre Worte gehört. «Ein Mädchen als Gazettenmacherin?» Sie rümpfte missbilligend die Nase. «Da hört doch wohl alles auf. David, mein Junge, sag diesem aufmüpfigen Geschöpf, dass so etwas unmöglich ist. Das Druckereihandwerk ist nichts für Frauenzimmer. Sie sollte auf Knien dankbar sein, dass sie am Kronenburgertor nicht dem Bettelvogt in die Arme gelaufen ist. Dann würde sie nämlich jetzt in der Schergenstube hocken und könnte in meinem Haus keine vorlauten Phrasen dreschen.»
«Ich möchte mit dir sprechen», zischte David Henrika zu. Mit einem entschuldigenden Lächeln zog er sie an der zeternden Emma vorbei in ein geräumiges Zimmer, in dem neben einem Behandlungstisch aus blank gescheuertem Holz auch wundärztliche Instrumente, Holzschachteln mit aufgemalten Heilpflanzen und Ballen aufgerollten Leinenstoffes lagerten. Es war die Chirurgenstube, in der Emmas Mann Verwundete zu behandeln pflegte. Der junge Drucker deutete auf eine Bank neben dem Fenster, während er sorgfältig die Tür schloss. Widerwillig nahm Henrika Platz; den Stab legte sie zu ihren Füßen ab.
«Also schön, reden wir offen und ehrlich miteinander.» David baute sich breitbeinig vor der Bank auf und fixierte Henrika mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß.
Und wenn schon, dachte Henrika trotzig. Mochte er ihr Vorwürfe machen, weil sie nicht in diesem merkwürdigen Haus mit seinen unzähligen gefiederten Bewohnern bleiben wollte. Sie hatte keine Angst. Sie war nur entsetzlich müde.
«Du brauchst meine und Emmas Hilfe, falls du es nicht vorziehst, weiterhin wie eine Bettlerin durch die Stadt zu irren.»
Henrika fuhr auf. «Habe ich um irgendwas gebeten? Als ich dich vor dem Münster traf, wollte ich nur wissen, wie ich zu Carolus’ Haus finde, ohne mir die Füße wund zu laufen. Stattdessen schleppst du mich zu deiner Verwandtschaft.» Vor dem Fenster erklang lautes Gurren, was Henrika mit einem grimmigen Blick registrierte. «Es tut mir leid, aber ich kann Tauben nicht ausstehen. Sie sind laut und machen Dreck!»
«Könntest du mir erst einmal zuhören, bevor du mich anfauchst!» David atmete tief durch, dann fügte er mit gesenkter Stimme hinzu: «Carolus’ Druckerei steckt in ernsthaften
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