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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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dringen und erst recht keinen Boten nach Mannheim schicken, um ihre Angaben zu überprüfen. Insbesondere jetzt nicht, wo ihnen ein willkommenes Darlehen winkte.
    Hoffentlich ersticken wir nicht an unseren Geheimnissen, dachte sie, während ihr Laurenz höflich die Wirtshaustür aufhielt.

    Carolus’ Haus befand sich in einer ruhigen, abgeschiedenen Gasse unweit des Kanals, von dem aus man in wenigen Schritten den Burggraben erreichte. Wie die meisten Handwerkerhäuser des Viertels bestand es zu einer Hälfte aus grauem Lehmputz, zur anderen aus massivem Holz. Das Gebäude besaß zwei Stockwerke, einen kühlen Keller und ein paar geräumige Dachkammern, in denen Säcke mit Mehl und Weizen, Räucherschinken und getrockneter Stockfisch gelagert wurden. Ungeachtet seiner tatsächlichen Größe, wirkte das Haus jedoch beinahe gedrungen.
    Trotz der Enge und des Getöses gefiel Henrika die Druckerei auf Anhieb besser als die Wohnung des Wundarztes. Bei Emma und Ludwig hatte jeder Napf seinen angestammten Platz. Alles war aufgeräumt, sogar die Dielenbretter wurden fast täglich mit feinem weißem Sand gescheuert und danach sorgfältig abgekehrt. Nichts durfte in der Stube verändert oder liegen gelassen werden. Emma schüttelte jedes Mal missbilligend den Kopf, wenn Henrika in ihrer Kammer ein Stück Brot aß; sie behauptete, Brosamen lockten Ratten und Ungeziefer ins Haus. Das Einzige, was sie nicht störte, war der Dreck der Brieftauben, die auf dem Hof des Wundarztes ein wahrhaft königliches Leben führen durften. Zu Henrikas Pflichten gehörte es, die Tiere zu füttern, ihre Ställe zu säubern und sich zu vergewissern, dass sie gesund und munter waren. Insbesondere auf die Augen der Vögel, die Ludwig aufmerksam studierte, galt es dabei zu achten. Da Henrika ihre Wirtsleute nicht gegen sich aufbringen wollte, fügte sie sich den Vorschriften und erfüllte ihre Aufgaben mit Sorgfalt.
    Dennoch wartete sie in den folgenden Wochen jedes Mal voller Ungeduld darauf, dass Emma ihre Arbeit kontrollierte und ihr die Erlaubnis gab, zur Druckerei zu laufen.
    Im Haus der Familie Carolus lernte Henrika völlig andere Verhältnisse kennen. Da der Drucker kein Geld für die Miete weiterer Werkstatträume aufbringen konnte, hatte er seine Druckerpressen kurzerhand in die frühere Wohnstube schaffen lassen. Deren Einrichtung stand nun in den Gängen des Hauses herum. Bereits am Eingang stolperte man über Truhen mit Tischwäsche und Stühle mit geschnitzten Armlehnen, die zum Verweilen einluden, aber jedem Besucher im Weg standen, der sich durch den dunklen, schlauchartigen Korridor einen Weg zur Werkstatt erkämpfen musste.
    Überhaupt stand die Haustür die meiste Zeit des Tages offen, weil immer jemand eilig ein oder aus ging: Boten, Papierhändler, Lehrlinge, deren Gesichter verschmiert von der Druckerschwärze waren, gaben einander die Klinke in die Hand oder strapazierten den bronzenen Türklopfer, der das Gesicht eines Löwen hatte, bis spät in den Abend hinein. Stempelschnitzer und Kupferstecher sprachen in dem niedrigen Gelass neben der Wendeltreppe vor, um redselig für ihre Kunst zu werben.
    In dem Durcheinander, das Drucker, Setzer, Boten und Knechte verursachten, fielen Meister Carolus’ Frau und die beiden Kinder kaum auf. Meisterin Lene, eine hagere junge Frau mit farblosem Gesicht, schlich von Zeit zu Zeit wie ein Geist durch die Räume, brachte den Männern heiße Brühe, plauderte ein wenig mit den Druckern und verschwand dann wieder in ihre Kammer, um zu beten oder zu sticken. Sie schien sich in dem munteren Treiben unwohl zu fühlen.
    Henrika tat die Frau leid. Es gab niemand im Haus, der von ihr sprach, ja selbst Carolus schien über seiner Arbeit oft zu vergessen, dass er Frau und Kinder hatte. Manchmal musste die Meisterin sogar übermütige Spottverse der beiden Lehrjungen über sich ergehen lassen:
Die Rüben, die Rüben,
die haben uns vertrieben.
Hätte die Frau Meister Fleisch gekocht,
so wären wir geblieben.
    Henrika nahm sich vor, hin und wieder an die Tür ihrer Kammer zu klopfen und zu fragen, ob sie etwas für sie besorgen oder ihr bei kleineren Hausarbeiten helfen konnte, auch wenn ihr klar war, dass es in diesem Haushalt schlichtweg unmöglich war, Ordnung zu halten.
    Sie vermutete, dass die Meisterin vor allem darunter litt, im eigenen Haus wie ein Möbelstück behandelt zu werden. Die beiden Kinder des Paares, ein neunjähriger aufgeweckter Junge namens Hans und seine drei Jahre ältere

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