Die Meisterin der schwarzen Kunst
Schwierigkeiten, Henrika. Und damit ist auch die Gazette in Gefahr. Möglich, dass ihr Erscheinen in naher Zukunft eingestellt und das Privileg einem anderen übertragen wird.»
«Eingestellt?» Henrika blickte erstaunt auf. «Aber warum?»
«Wir haben kein Geld mehr. Zu wenig jedenfalls, um unsere Schulden zu begleichen. Zu wenig, um Boten anzuwerben. Der Straßburger Rat hat uns zwar heute einige Zugeständnisse gemacht, die sich recht günstig auswirken könnten, aber wer weiß schon, wie lange wir auf das Wohlwollen der Ratsherren bauen dürfen. Die Lage im Rat ist genauso angespannt wie die im Reich. Ob Meister Carolus sein Privileg behalten darf und Kuriere aussenden kann, hängt daher zum Teil auch von dir ab.»
«Von mir?», fragte Henrika. «Wieso von mir? Kann ich denn etwas tun, um euch zu helfen?»
David nickte. Ein wehmütiges Lächeln glitt über sein Gesicht. «Jawohl, das kannst du. Alles hängt von deiner Bereitschaft ab, mir zu vertrauen.»
Henrika biss sich beschämt auf die Lippe. Allmählich verstand sie überhaupt nichts mehr, aber es tat ihr leid, dass sie mit David so grob umgesprungen war. Wollte er nun, dass sie bei dem Druckermeister vorsprach oder nicht? Seinen Andeutungen entnahm sie nur, dass er sich um die Finanzierung der Gazette Sorgen machte. Aber wie kam er darauf, dass ausgerechnet sie ihm und seinem Herrn bei der Lösung dieses Problems helfen konnte? Sie besaß doch nicht mehr als das, was sie auf dem Leib trug. Das Geld, das Agatha ihr in Meister Priems Schänke zugesteckt hatte, war draufgegangen, um die Bauern und Gastwirte zu bezahlen, bei denen sie unterwegs übernachtet und gegessen hatte. Fast alle hatten sie dabei übers Ohr gehauen und davongejagt, als sie sich beschwert hatte. Was also erwartete David von ihr?
«Ich weiß, dass du lesen und schreiben kannst», sagte David. «Laurenz hat es mir erzählt. Er ist der Meinung, in dir brenne eine Leidenschaft für Bücher, insbesondere, wenn sie sich mit den Wissenschaften oder der Poesie befassen. Nicht, dass ich viel davon verstünde, aber ich habe schon ein paar Gedichtbände gedruckt. Ansonsten werden in Straßburg hauptsächlich religiöse Abhandlungen, Trostbüchlein, fromme Auslegungen der Heiligen Schrift und dergleichen auf die Presse gelegt.»
«Hat er oft von mir gesprochen?»
«Wer?»
«Kaiser Rudolf, wer denn sonst?» Henrikas Blick senkte sich. «Laurenz natürlich.»
David blickte sie einen Augenblick lang irritiert an, dann hob er in einer Geste der Verzweiflung die Arme und sagte: «Wäre es dir genehm, wenn wir später über meinen Bruder reden würden? Ich möchte wissen, ob du in Mannheim Unterricht erhalten hast.»
Henrika nickte. Monatelang hatte sie sich mit Barthels umfangreicher Sammlung von Büchern auseinandergesetzt, und auch wenn sie nicht alles verstanden hatte, was in ihnen stand, konnte sie doch mit Fug und Recht behaupten, sich in einigen Gebieten Wissen angeeignet zu haben. Ihr Latein war inzwischen passabel, nur mit den griechischen Buchstaben hatte sie nach wie vor ihre Schwierigkeiten.
«Du hast dem Festungsbaumeister auch bei seiner Arbeit geholfen?»
Nun, das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Henrika hatte Barthels Haus verwaltet, doch von der Baumeisterei hatte sie so wenig Ahnung wie ein Dachdecker vom Kuchenbacken. Hin und wieder hatte Barthel ihr seine Skizzen gezeigt und erklärt, wie Torsperren und Fallbrücken funktionierten, indem sie von einer Schneckenwelle mit Zapfenrad betrieben wurden. Sie beschloss, die Frage mit einem flüchtigen Nicken zu umgehen.
«Nun, das hört sich alles in allem doch zufriedenstellend an», beendete David seine Befragung. Er klang nicht wirklich begeistert, aber Henrika war ihm dankbar, dass er ihr nicht ganz die Hoffnung raubte.
«Ich werde Meister Carolus informieren, dass du in Straßburg angekommen bist und eine Botschaft von deinem Vormund übermitteln möchtest.»
«Eine Botschaft?»
«Lass mich nur machen», winkte David ab. «Am einfachsten wird es sein, wenn wir sagen, der Festungsbaumeister habe dich zu uns geschickt und bitte Carolus, dich aus alter Freundschaft hier in Straßburg aufzunehmen und nach einer Probezeit in die schwarze Kunst einzuweisen. So nennt man das Druckerhandwerk.»
«Das weiß ich.»
«Weder Carolus noch mein Bruder Laurenz werden ihm diese Bitte abschlagen, zumal sie dich in der Druckerei gewiss gut gebrauchen können. Nachrichtenschreiber sind teuer, und wir können es uns zurzeit nicht leisten,
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