Die Meisterin der schwarzen Kunst
zugespielt haben, die Henrika für das Titelblatt der Gazette gezeichnet hat. Der Mann begutachtete den Entwurf im Beisein des Gerichtsvogts und erklärte, es handele sich um die Arbeit eines gelangweilten Frauenzimmers. Aber ich konnte erkennen, dass er das nur sagte, weil er beleidigt war und sich ärgerte. Die Zunft ‹Zum goldenen Vogel›, zu der die Kupferstecher in Straßburg gehören, hat nämlich auch ihre Entwürfe vorgelegt, und das für einen stolzen Preis. Die Meister rechnen damit, von Carolus den Auftrag zu erhalten. Sie werden es als Demütigung auffassen, wenn er sie nun bittet, den Entwurf seiner Dienstmagd ins Kupfer zu stechen.»
Henrika hörte schweigend zu. Sie konnte sich gut vorstellen, dass es den Handwerkern, deren Kunst weit über die Stadtgrenzen Straßburgs hinaus bekannt war, nicht gefiel, nach fremden Entwürfen zu arbeiten. Warum hatte sie sich überhaupt dazu hinreißen lassen, diese Skizzen anzufertigen? Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Carolus so begeistert von ihnen sein würde, auch wenn sie es insgeheim gehofft hatte. Und sie war vor Freude überwältigt gewesen, als er ihr eröffnet hatte, er würde die erste Seite der Gazette mit ihren Bildern zieren. Ratlos blickte sie die alten Leute an.
«Henrika hat nichts getan, was gegen das Gesetz verstößt», sagte Emma nach einer Weile. «Es gibt schließlich viele Frauen, die schreiben und zeichnen.»
Ludwig räusperte sich. «Ja, gelangweilte Edeldamen, die sich die Zeit vertreiben, indem sie Gedichte verfassen und Pflanzen oder Landschaften malen. Aber die tauchen selten aus dem Nichts bei uns auf. Sie sammeln keine Nachrichten und schreiben nicht für eine Gazette, über die sich seit dem Auszug der fünf Kurierreiter halb Straßburg das Maul zerreißt!» Ludwig hatte sich dermaßen in Rage geredet, dass er mit der Faust auf den Tisch schlug. Der sonst so sanfte Mann blickte Henrika scharf an. «Wann möchte Meister Carolus nach Frankfurt reisen?»
«Alle Vorbereitungen für die Messe sind getroffen, und der Wagen steht bereit. Ich denke, morgen früh kann es losgehen. Vorausgesetzt, Emma lässt mich mitfahren.»
Die Frau des Wundarztes stieß einen pfeifenden Laut aus. «Aber natürlich lasse ich dich mitfahren», erklärte sie verwundert, als hätte daran nie auch nur der geringste Zweifel bestanden.
«Vermutlich machen wir uns unnötig Sorgen. Wie gesagt: Henrika hat sich nichts vorzuwerfen, und wenn der Vogt sie nach ihrer Rückkehr aus Frankfurt noch immer befragen will, nur zu. Sie ist ein ehrliches Geschöpf und kann ihm freimütig Rede und Antwort stehen. Vermutlich möchte er nur mehr über sie und ihre Herkunft erfahren. Das stellt doch kein Problem dar, oder?»
Henrika begann unter dem steifen Kleid zu schwitzen.
«Du scheinst damals, als du in die Stadt kamst, nur wenige Angaben zu deiner Person gemacht zu haben», sagte Ludwig. «Für deine Herkunft interessiert sich aber nicht nur der Vogt. Auch dieser flämische Herr Marx van Oudenaarde sperrte die Ohren auf, als die Rede auf dich kam.»
Er räusperte sich. «Wir sollten uns besser beeilen. Emma, hilf dem Mädchen, seine Sachen zusammenzupacken. Ich werde Henrika hinüber zur Druckerei begleiten. Auch wenn ich nicht glaube, dass ihr heute Nacht noch Gefahr durch eine Befragung droht, halte ich es für sicherer, wenn sie bei Carolus übernachtet und sich gleich nach Tagesanbruch mit den Druckern auf den Weg zur Messe macht.»
Emma klatschte geschäftig in die Hände, um Henrika aufzuscheuchen, die sich nicht vom Fleck rührte. Als sie bemerkte, dass das Mädchen wie versteinert neben dem Tisch verharrte, runzelte sie verständnislos die Stirn. «Hast du nicht gehört, was mein Mann gesagt hat? Du sollst mit ihm zur Druckerei gehen.»
Henrika schluckte. Es fiel ihr schwer, Worte zu finden, zu eng erschien ihr plötzlich ihre Kehle, zu schwer die Zunge. Dennoch presste sie heraus: «Du hast doch eben den Namen eines Mannes erwähnt, Ludwig, eines flämischen Gastes?»
«Ein gewisser Quinten Marx van Oudenaarde», bestätigte Ludwig ungeduldig. «Er macht schon seit Jahren Geschäfte mit den Zorns. Aber warum fragst du?»
Ja, warum? Henrika überlegte fieberhaft, welche Antwort den alten Wundarzt und seine Frau wohl zufriedenstellen könnte, aber ihr fiel beim besten Willen keine ein.
Quinten Marx van Oudenaarde.
Kein Zweifel; es war derselbe Name, der sie seit ihrer Flucht aus Mannheim wie eine Decke umhüllte, die manchmal zu ersticken drohte. Der
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