Die Meisterin der schwarzen Kunst
liebe es, Neuigkeiten zu hören und sie niederzuschreiben, ich liebe es, zusammen mit dem Lehrjungen Lettern zu sortieren oder Druckschriften zum Trocknen aufzuhängen. Ich liebe sogar das Geschrei und Gezeter in der Werkstatt und das Geräusch, das die Druckerpresse macht, wenn die Gesellen den Tiegel mit der Spindel auf und ab bewegen.»
Emma seufzte. «Ich muss schon sagen, einem so merkwürdigen Mädchen bin ich noch nie begegnet. An deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Überlass es doch den Männern, sich die Köpfe heißzureden. Du bist jung und hübsch. Glaub mir: Frauen, die zu viel denken, haben es nirgendwo leicht. Du willst doch nicht sämtliche Männer vergraulen, die um dich werben, und deine Tage als Magd oder als altes, vertrocknetes Weiblein beschließen? Wenn du erst einmal einen Gatten hast, kannst du immer noch das Regiment im Haus führen. Glaub mir, mein Ludwig weiß genau, wovon ich spreche.»
Henrika lachte; sie hatte in den Monaten, die sie nun schon hier lebte, durchaus mitbekommen, wer im Haus das Sagen hatte.
«Na, siehst du?» Ein mildes Lächeln umspielte den faltigen Mund der alten Frau, die Henrikas Lachen als Zustimmung auffasste.
«Laurenz macht dir den Hof. Ich kann nicht behaupten, dass ich darüber vor Freude in die Luft springe, weil er schon immer schwierig war, sogar als Knabe. Er hat nie gern gehorcht. Aber als seine Eltern erschlagen wurden, warf ihn das völlig aus der Bahn.»
«Aber …» Vor Staunen entglitt Henrika der Löffel. Das war ihr neu. Hatte Laurenz nicht behauptet, es sei David, der noch heute unter Albträumen leide, weil er den Tod seiner Eltern nicht verkrafte? Vermutlich hatte sie ihn missverstanden. Wenn es ihm so schwerfiel, einen derartigen Schicksalsschlag zu verkraften, verdiente er ihr Mitgefühl erst recht. Die Schwierigkeit war nur, dass er es nicht akzeptieren würde. Dazu war er zu stolz und zu aufbrausend.
«Ich hoffe, Laurenz ist dir nicht zu nahe getreten», hörte sie die Stimme der alten Frau wie aus der Ferne. «Der Bursche ist nämlich hinter jedem Rock her, der seinen Weg kreuzt. Weiß der Henker, was er sich damit beweisen will. Aber so sind manche Männer nun einmal.»
Henrika verspürte den plötzlichen Wunsch, Laurenz zu verteidigen. Aber sie hielt sich zurück, denn im nächsten Moment stolperte der alte Ludwig durchgefroren und hustend in die Wohnstube. «Lieber Herr Jesus», rief Emma. «Was ist denn mit dir geschehen?»
Emma beeilte sich, ihrem Mann aus dem nassen Wams zu helfen, während Henrika für den Hausherrn eine Schüssel mit dampfender Brühe füllte.
«Für die Frau des Gerichtsvogts Spielmann konnte ich leider nicht mehr tun, als Salbe auf ihr entzündetes Auge aufzutragen», brummte der Wundarzt wenig später, als er seine Beine vor dem Kaminfeuer ausstreckte.
«Sie wird um einen Starstich nicht herumkommen. Auf einem Auge ist ihre Sicht schon so getrübt, dass sie ihren eigenen Mann nicht mehr von dessen Hausgast unterscheiden konnte.»
«Vielleicht wollte sie das ja gar nicht», meinte Emma schmunzelnd. «So krumm, wie der Vogt inzwischen ist.»
Der alte Mann runzelte die Stirn; doch anstatt auf den Scherz seiner Frau einzugehen, blickte er gedankenverloren auf den buntbemalten Kasten zu seinen Füßen, in dem er sein silbernes Aderlassgerät, einige Ellen Stoff zum Verbinden, Kugelzangen, Wundpflaster aus Kräutern und beschriftete Behälter für Heilsalben, Tinkturen und verschiedene Augenwässer griffbereit verwahrte.
Als Henrika den Kasten aufräumen wollte, legte sich die schwere Hand des Wundarztes auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen, denn für gewöhnlich beachtete er sie kaum. Wenn sie sich nach dem Morgengottesdienst zur Druckerei aufmachte, empfing Ludwig für gewöhnlich schon die ersten Ratsuchenden in der Chirurgenstube oder kümmerte sich um seine Brieftauben.
«Beim Gerichtsvogt wurde heute Abend auch über dich gesprochen», sagte Ludwig. Es klang besorgt. «Er und die anderen Anwesenden wollten von mir wissen, ob das Gerücht wahr sei, dass du für Carolus’ Gazette schreibst und zeichnest.»
Emma ließ den Kessel mit Suppenresten, den sie zum Spülstein hinübergetragen hatte, ins Wasser fallen, dass es spritzte. Erschrocken drehte sie sich zu ihrem Mann um. «Und, was hast du geantwortet?»
Ludwig hob die struppigen Augenbrauen. «Was sollte ich schon sagen? Spielmann hatte Besuch von einem Mitglied der Kupferstecherzunft. Irgendein verdammter Narr muss ihm eine der Skizzen
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