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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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gehen, Mijnheer?», fragte die Magd. Ungeduldig strich sie sich über ihre Schürze. «Das Wiegen wird bald beginnen. Man führt die Frauen schon auf den Kirchplatz. Das Los ist auf Joos und Karel gefallen. Sie werden sie nachher zu den Spaniern ins Lager bringen.»
    Van Sneek fuhr dem Mädchen mit einem unwilligen Laut über den Mund, gab ihr aber die Erlaubnis, sich zu entfernen.
    Henrika sah Greetje nach, die gemeinsam mit anderen Schaulustigen hinüber zur alten Kirche ging. Van Sneek seufzte zwar und murmelte etwas über die Ungeduld der Jugend, die immer Angst habe, etwas zu versäumen, doch auch er erhob sich. Er war unruhig geworden und schien sogar die Schmerzen in seinem bandagierten Fuß vergessen zu haben.
    «Was geht dort bei der Kirche vor sich?», fragte Henrika. Sie verspürte plötzlich ein ungutes Gefühl. Die brennenden Pechfackeln, die überall im Boden staken, sowie das schrille Aufkreischen der Sackpfeifen jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Es war sonderbar, wie rasch die Stimmung auf dem Dorfplatz umgeschlagen war. Der Reigentanz wurde jäh unterbrochen, ebenso das Possenspiel auf dem Kirchplatz, wo sich das Bauernvolk nun um die hölzerne Tribüne scharte. Als Letzter wurde der Harlekin mit barschen Worten die Leiter hinuntergetrieben und stand nun in seinem mit Glöckchen bestückten Narrengewand ein wenig verloren abseits der Menge.
    Neben der Kirchentür befand sich ein Fachwerkhaus mit Strohdach, vermutlich der Wohnsitz des Priesters. An der Hofseite schloss sich ein geräumiger Heuschober an. Ein paar Männer verschwanden darin und kehrten kurz darauf mit einem Gerüst auf Rädern zurück, das Henrika mit seinen Seilen und festgezogenen Holzplatten an eine Mehlwaage erinnerte. Während die Menge lärmte, blickte sie ratlos von David zu van Sneek.
    «Ihr werdet diesen Brauch aus Eurer Heimat nicht kennen», flüsterte der Alte ihr zu. «Er ist harmlos, aber für die Frauen, die gleich gewogen werden sollen, von großer Bedeutung. Sie strömen aus allen Provinzen in unser Dorf: aus Luxemburg, Limburg und Brabant, ja, manche kommen sogar aus Ostflandern. Freiwillig und ohne jeden Zwang lassen sie sich gegen eine Figur aufwiegen, die wir die dulle Griet nennen.»
    «Und wer soll das sein?» Henrika hatte diesen Namen nie zuvor gehört.
    Van Sneek zupfte verlegen an seinem gestärkten Spitzenkragen herum. Es schien ihm unangenehm zu sein, eine Fremde aus dem Süden in die Sitten und Gebräuche seiner flämischen Dorfgemeinschaft einzuweihen.
    «Während der ersten Kriegsjahre tauchten allerorts Frauen auf, die im Widerspruch zu Gottes Geboten Waffen ergriffen, um die Spanier zu bekämpfen, wo immer sie konnten. Sie nannten sich Bluttöchter und gaben vor, dem Beispiel der biblischen Judith nachzueifern, die durch List und Tücke einen feindlichen Feldherrn bezwang. Ihre Kommandantin nannte sich dulle Griet , was so viel wie …» Er dachte kurz nach … «wahnsinnige Grete bedeutet. Die Spanier und bald darauf auch die Niederländer vermuteten, dass die Bluttöchter einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten, um ihm zu dienen. Daher haben die Menschen in den Dörfern auch heute noch Angst vor ihnen. Manchmal des Nachts ertönen draußen auf den Feldern grauenvolle Schreie und irres Gelächter. Dann wissen die Bauern, dass die Bluttöchter wieder unterwegs sind, um Spanier und flämische Verräter zu töten. Man erzählt sich, dass einige der Bluttöchter Kinder geboren haben, die mit sonderbaren magischen Zeichen versehen waren. Einige waren hellsichtig, andere besaßen die Gabe des Heilens, die sie später, als sie älter waren, in den Dienst der dämonischen Gemeinschaft stellen mussten.»
    Erschrocken schlug Henrika die Hand vor den Mund. Hatte Barthel nicht in seinen Briefen die Bluttöchter im Zusammenhang mit ihrem Namen erwähnt? Sie hoffte, dass van Sneek ihre Aufregung nicht bemerkt hatte.
    «Und was hat das mit der Waage zu tun?», wollte David wissen. Inzwischen hatten die Bauern das Gerüst mitsamt Wiegevorrichtung neben der Holztribüne abgestellt. Ein kräftiger Mann im bunten Ornat eines Priesters näherte sich einer Schar Frauen, die vor einem Heiligenbild knieten. Er wurde von zwei Kapuzinermönchen begleitet. Der Priester befahl den Frauen, aufzustehen und mit ihm hinüber zur Waage zu gehen.
    «Die Frauen müssen sich auf das Wiegebrett knien und ein Vaterunser sprechen. In der Zwischenzeit schafft Claes, unser Dorfbüttel, die Figur herbei. Seht Ihr, da kommt

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