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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Sie hatte die Wiegeprobe bestanden und durfte sich zurückziehen.
    Nach und nach folgten nun die anderen Frauen, die sich eingefunden oder von ihren Verwandten hergebracht worden waren, um sich der Probe zu unterziehen. Sie hatten Glück. Jede Einzelne von ihnen erhielt die erhoffte Bestätigung. Als Letzte bestieg die Fleischsuppenköchin das Wiegebrett, die Henrika von ihrem Eintopf hatte kosten lassen. Sie war rund wie ein Butterfass und stemmte mit ihrem Gewicht die dulle Griet mühelos in die Höhe. Zaghaftes Gelächter erklang, als die dicke Köchin ihre Backen aufblies und der unheimlichen Holzfigur die Zunge herausstreckte.
    Der Dorfbüttel ließ das derbe Treiben eine Weile zu, bevor er die Hand hob, um das Ende der Prozedur zu verkünden. Doch da erhob sich plötzlich die Stimme einer jungen Frau aus der Menge, die in flämischer Sprache rief: « De vreemdeling op de waag!»
    Köpfe wurden gedreht; ein Raunen wanderte durch die Reihen, doch der nächste Ruf ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal kam er von der Rechenmacherin aus Averbode. Die Frau, die wenige Augenblicke zuvor noch zitternd vor Angst auf das Urteil des Wägmeisters gewartet hatte, ballte angriffslustig die Fäuste.
    «De vreemdeling op de waag!»
    «Wir sollten uns besser aus dem Staub machen», flüsterte David. Obwohl er kaum ein Wort Flämisch sprach, hatte er ebenso wie Henrika verstanden, was der Satz bedeutete: die Fremde auf die Waage. Wen die Rufer damit meinten, war nicht schwer zu erraten.
    Henrika blickte David an und nickte. Es war sicher eine gute Idee zu verschwinden. David schlang den Arm um ihre Taille, dann hielten sie auf die Straße zu, die am Dorfanger vorbeiführte. Doch sie erreichten sie nicht. Auf einen Ruf des Dorfbüttels hin versperrten ihnen einige Burschen mit Knüppeln und Stäben den Weg. Henrika hörte van Sneek hinter sich keuchen. Der Alte war ihr hinterhergelaufen und funkelte sie nun argwöhnisch an. «Fürchtet Ihr Euch etwa vor der Wiegeprobe, Jungfer?»
    Henrika presste die Lippen aufeinander. O ja, sie fürchtete sich, entsetzlich sogar. Und das zweifellos aus besserem Grund als die Alte mit ihrem Pulverfläschchen in der Kammer oder die fette Suppenköchin, von der sie sich nicht vorstellen konnte, dass sie einen spanischen Feldherrn betören oder enthaupten konnte, es sei denn, der Mann ließe sich von Fleischmassen ebenso beeindrucken wie von Fleischsuppen.
    Im Unterschied zu den Dorffrauen war sie ihr ganzes Leben lang eine Ausgestoßene gewesen, ebenso ihre Mutter, deren Spur sie in dieses Land geführt hatte.
    Was geschah mit ihr, wenn sie wirklich eine Bluttochter war und ihre Mutter einen Pakt mit dem Leibhaftigen geschlossen hatte?
    «Ich werde nicht zulassen, dass Henrika zu diesem Possenspiel gezwungen wird», protestierte David. «Behandelt ihr fremde Durchreisende immer so? Wir kommen aus Straßburg und haben mit eurer blöden Grete und ihren wilden Weibsbildern nichts zu schaffen.»
    Doch Davids Einspruch wurde von den Dorfbewohnern niedergebrüllt, er selbst unsanft zur Seite gedrängt. Henrika streckte in ihrer Verzweiflung die Hand nach ihm aus, griff jedoch ins Leere. Seine ärgerlichen Rufe verhallten.
    Wie betäubt bewegte sich Henrika auf die Waage zu, die ihr wie ein Schafott erschien. Die kalten Holzaugen verursachten ihr eine Gänsehaut. Sie bemühte sich, ihren Blick von dem grauenvollen Schnitzbild abzuwenden, und suchte stattdessen die Kirche mit dem Heiligenbild auf seinem gemauerten Sockel. Aber es gelang ihr nicht. Der Figur schien eine Macht innezuwohnen, der sie sich nur schwer entziehen konnte. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als den Kopf zu wenden und sie anzuschauen.
    Die halb geöffneten Lippen des Weibes raunten ihr zu, dass sie sich nicht fürchten solle. Sie erklärte sanft, dass sie endlich zu Hause angekommen sei, bei der Familie, nach der sie so lange gesucht hatte. Sie schien plötzlich zu lächeln.
    Henrika ließ das Seil los und hielt ihre Hand vor die Augen, weil sie es nicht länger ertragen konnte, in das starre Gesicht zu blicken. Du darfst keine Angst vor ihr haben, befahl sie sich streng. Du darfst nicht zeigen, was in dir vorgeht. Sie hörte, wie der Priester, der neben dem Wägmeister stand, ihr etwas zurief, verstand aber nicht, was er meinte. Die Stimme der dulle Griet war lauter als seine. Sie mischte sich mit dem Murmeln des Dorfbaches, der zwischen den Hecken dahinplätscherte.
    Ein schauriges Gelächter hallte über den Kirchplatz;

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