Die Meisterin der schwarzen Kunst
aus dem Dorf führt? Eine Meile hinter der Wegbiegung befindet sich ein spanisches Feldlager. Die Soldaten haben den Befehl, Gesandten auf dem Weg nach Brabant bewaffneten Geleitschutz zu geben. Sie trauen uns nicht. Im Augenblick lassen sie uns zwar in Ruhe, weil der Statthalter in Brüssel seinen Soldaten verboten hat, die Dörfer zu plündern, in denen die Messe von einem katholischen Pfaffen gelesen wird. Doch das Misstrauen sitzt auf beiden Seiten sehr tief. Es genügt schon ein unbedachtes Wort oder ein Fremder, der Argwohn weckt, und wir haben das Dorf voller spanischer Waffenknechte.»
«Ich war der Meinung, der Süden habe nichts mehr zu befürchten», warf David ein. Er sah verwundert aus. «Haben sich Flandern und Brabant nicht inzwischen endgültig den Habsburgern und der römischen Kirche unterworfen?»
Der Alte schob seinen bandagierten Fuß mit Schwung von dem Bänkchen herunter, dann beugte er sich vor, um David in die Augen zu schauen.
«Der Kampf gegen Spanien ist noch lange nicht beendet, junger Mann. Auch unsere Provinz hat Widerstand geleistet, denn wir empfanden die Eroberung Antwerpens durch fremde Truppen als unerträglich. Die Blockade des großen Hafens hat unseren Handel mit Tuch und Seide empfindlich gestört, dabei war er Flanderns bedeutendste Macht. Aber was hätten wir gegen die Truppen des Alexander Farnese ausrichten sollen, die in meiner Jugend sengend und mordend durch das Land zogen, um eine Provinz nach der anderen zu besetzen? Zu dieser Zeit erklang hier im Dorf keine einzige Sackpfeife mehr. Es herrschte eine Grabesstille wie auf dem Friedhof. Das ganze Land war ein einziger großer Friedhof. Die Menschen flohen verzweifelt in die Wälder oder schlugen sich zu den Rebellen im Norden durch.»
Henrika schaute den alten Mann mitfühlend an. Er musste im Lauf seines Lebens viel durchgemacht haben, und sie spürte, dass sie und David ihm vertrauen konnten. Daher gab sie sich einen Ruck und erkundigte sich, ob vor kurzem Fremde durch das Dorf gekommen seien. Ein Mann und eine Frau. Um ihn nicht misstrauisch zu machen, erklärte sie knapp, dass sie ursprünglich zusammen gereist seien, einander jedoch beim Überqueren der Maas aus den Augen verloren hätten.
«Gestern ritt ein junger Mann auf den Hof, der seinem Dialekt nach wie ihr aus dem Süden des Reiches stammte», bestätigte van Sneek. «Er tauschte sein Pferd gegen ein frisches aus meinem Stall, nahm im Haus eine Mahlzeit ein und verschwand dann so rasch, wie er gekommen war. Offensichtlich hatte er es sehr eilig, denn ich hörte, wie er sich von meiner Magd einen bestimmten Weg erklären ließ.»
Van Sneek hob mit einem nachsichtigen Lächeln die Arme. «Das einfältige Ding war recht angetan von dem Burschen und hätte ihm gewiss gern länger aufgewartet, aber er beharrte darauf, weiterreiten zu müssen.» Er winkte die junge blonde Frau herbei, die mit einem Krug frisch gezapften Biers auf den Tisch der Kartenspieler zuhielt.
«Greetje, wohin wollte der Kerl mit dem braunen Rappen gestern? Er hat dich doch nach dem Weg gefragt?»
Die Magd nickte eifrig. «Er wollte nach Oudenaarde, Herr.»
«Nach Oudenaarde?», wiederholte Henrika ungläubig. «Bist du dir sicher? Wollte er nicht nach Antwerpen?»
Greetje verzog ihr hübsches Herzgesicht zu einer Grimasse und maulte: «Bin weder taub noch begriffsstutzig. Der Mann wollte bestimmt nach Oudenaarde, das kann ich beim heiligen Vitus beschwören. Ich riet ihm daraufhin, Brüssel zu meiden und auch um Mechelen einen Bogen zu machen, weil dort doch der große Rat tagt.»
«Der große Rat?», hakte nun David nach. Er errötete, weil die Magd ihm ganz ungeniert feurige Blicke zuwarf.
«Der große Rat von Mechelen ist das höchste Gericht, das wir hier in den südlichen niederländischen Provinzen haben», sagte van Sneek. «Ich weiß nicht, was Euch und diese Jungfer in die Provinz Brabant geführt hat, aber glaubt mir, mein Freund, Ihr möchtet die Richter dieses Rates nicht kennenlernen. An ihren Händen klebt Blut.»
Henrika hörte nur mit halbem Ohr zu, weil sie etwas ganz anderes beschäftigte. Oudenaarde war also eine Stadt und nicht bloß der Name eines Mannes, wie sie bisher angenommen hatte. Wie hatte sie diese wichtige Einzelheit nur übersehen können? Vielleicht war es gar nicht nötig, bis nach Antwerpen zu reisen. Vielleicht fand sie den Mann, nach dem sie forschte, in der Stadt Oudenaarde.
Und Laurenz, fügte sie in Gedanken hinzu.
«Darf ich jetzt
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